Sag's Nicht Weiter, Liebling
ich das Wasser trinke, materialisiert sich vor meiner Nase plötzlich ein Teller gebratene Paprika.
»Wow!«, sage ich erfreut. »Ich liebe gebratene Paprika!«
»Daran habe ich mich erinnert.« Jack wirkt ein bisschen stolz. »Sie haben im Flugzeug gesagt, dass das Ihr Leibgericht sei.«
»Echt?« Überrascht starre ich ihn an.
Irre. Ich erinnere mich überhaupt nicht mehr daran. Ich meine, ich mag gebratene Paprika, aber ich würde doch nicht behaupten …
»Also habe ich im Restaurant angerufen und sie extra für Sie zubereiten lassen. Ich vertrage leider keine Paprika«, fügt er hinzu, als ein Teller Jakobsmuscheln vor ihm erscheint, »sonst hätte ich Ihnen Gesellschaft geleistet.«
Ich glotze auf seinen Teller. O mein Gott. Diese Muscheln sehen herrlich aus. Ich liebe Jakobsmuscheln.
»Bon appétit!«, sagt Jack fröhlich.
»Äh, ja. Bon appétit.«
Ich koste die gebratene Paprika. Sie ist köstlich. Und wie süß von ihm, daran zu denken.
Aber mit den Augen verschlinge ich seine Muscheln. Mir läuft das Wasser im Mund zusammen. Und diese grüne Soße! Ich könnte wetten, dass die Muscheln saftig sind und perfekt zubereitet …
»Möchten Sie mal probieren?«, fragt Jack, der meinen Blick bemerkt hat.
»Nein!«, sage ich erschrocken. »Nein danke. Die Paprikas sind absolut - perfekt!« Ich strahle ihn an und esse einen großen Happen.
Plötzlich klopft Jack sich mit der Hand auf die Tasche.
»Mein Handy«, sagt er. »Emma, würde es Sie sehr stören, wenn ich rangehe? Es könnte wirklich wichtig sein.«
»Natürlich nicht«, sage ich. »Gehen Sie nur ran.«
Als er weg ist, kann ich mich nicht mehr beherrschen. Ich greife hinüber und spieße mir eine seiner Muscheln auf. Beim
Kauen schließe ich die Augen und lasse das Aroma auf meine Geschmacksknospen wirken. Es ist einfach himmlisch. Das ist das Allerbeste, was ich in meinem ganzen Leben gegessen habe. Ich überlege gerade, ob ich, wenn ich die restlichen Muscheln auf dem Teller ein bisschen umschichte, unauffällig noch eine zweite nehmen kann, als mir eine Ginfahne in die Nase steigt. Die Dame im goldenen Jäckchen steht direkt neben mir.
»Sag schon, schnell!«, sagt sie. »Was läuft denn hier?«
»Wir … essen zu Abend.«
»Das sehe ich!«, sagt sie ungeduldig. »Aber was ist mit Jeremy? Weiß er davon?«
O Gott.
»Hören Sie mal«, sage ich hilflos. »Ich bin nicht die, für die Sie mich halten …«
»Das sehe ich! Ich hätte nie gedacht, dass so was in dir steckt!« Die Frau drückt mir den Arm. »Na ja, umso besser für dich. Jedenfalls wünsche ich dir viel Spaß! Du hast sogar den Ehering abgelegt«, fügt sie hinzu und schielt auf meine linke Hand. »Ganz schön schlau … Huch! Er kommt! Dann gehe ich wohl besser.«
Sie torkelt von dannen, und ich beuge mich vor, kann das Kichern kaum noch unterdrücken. Jack wird Spaß daran haben.
»Wissen Sie was?«, sage ich. »Ich habe einen Ehemann namens Jeremy. Hat meine Freundin da drüben mir gerade erzählt. Was meinen Sie - hat Jeremy auch ein Techtelmechtel?«
Jack schweigt, dann sieht er mit angespanntem Gesichtsausdruck auf.
»Wie bitte?«, sagt er.
Er hat mir überhaupt nicht zugehört.
Ich kann nicht alles noch mal sagen, da käme ich mir blöd vor. Eigentlich komme ich mir jetzt schon blöd vor. »Ach, nichts«, sage ich und zwinge mich zu einem Lächeln.
Wir schweigen wieder, und ich suche nach einem Gesprächsthema. »Ähm, ich muss Ihnen etwas beichten«, sage ich und zeige auf seinen Teller. »Ich habe mir eine Muschel gemopst.«
Ich rechne damit, dass er so tut, als sei er schockiert oder sauer. Oder irgendwas .
»Schon okay«, sagt er abwesend und fängt an, sich die restlichen Muscheln in den Mund zu schieben.
Ich verstehe das nicht. Was ist denn passiert? Keine Spöttelei mehr? Er ist völlig verändert.
Als wir mit dem Estragon-Hühnchen mit Rucolasalat und Pommes frites fertig sind, fühle ich mich nur noch elend. Dieses Date ist eine Katastrophe. Eine absolute Katastrophe. Ich habe mir alle Mühe gegeben, ein Gespräch anzufangen und witzig und spritzig zu sein. Aber Jack hat noch zwei weitere Telefonate angenommen und war von da an mit seinen Gedanken ganz woanders. Mich hat er gar nicht mehr wahrgenommen.
Vor Enttäuschung würde ich am liebsten heulen. Ich verstehe das einfach nicht. Es lief doch so gut. Wir haben uns so gut verstanden. Was ist denn schief gegangen?
»Ich gehe mich mal eben frisch machen«, sage ich, als nach dem
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