Sahnehäubchen: Roman
ein gesundes Selbstbewusstsein.
»Okay«, entscheide ich, »aber ich möchte, dass Tom die Sache weiter beobachtet. Nicht, dass wir noch den Verlag verschrecken.«
Tom schüttelt den Kopf. »Keine Sorge, ich habe das alles unter Kontrolle«, versichert er, »ich kenne mich schließlich damit aus.« So unterschiedlich Tom und Dwaine auch sind – in einem Punkt unterscheiden sie sich überhaupt nicht voneinander: Wichtighuberei auf Feldern, auf denen sie sich für beschlagen halten. Bescheidenheit ist da eine offensichtlich gering geschätzte Tugend. Ob’s daran liegt, dass sie beide Männer sind? Ich muss gähnen.
»Nanu«, will Dwaine wissen, »langweilen wir dich?«
»Kein Stück. Ich bin nur müde.«
»Komisch, dabei warst du doch so früh im Bett.«
»Im Gegenteil«, wirft Tom ein, »wir sind gestern noch an der Hotelbar versackt. Ich habe auch einen Schädel …«
Also, das ist eine ziemliche Übertreibung: Zwei Glas Rotwein würde ich noch nicht als an einer Bar versacken bezeichnen. So zimperlich wird Tom doch nicht sein. Dwaine zieht die Augenbrauen hoch.
»Ach, ihr wart noch etwas trinken? Ich denke, ihr musstet noch etwas Geschäftliches besprechen und du warst schon so unglaublich müde?« Er guckt mich scharf an.
»Na und? Nach einem Spaziergang in der klaren Frühlingsluft war Nina dann wieder wach, und ich habe ihr bei ihrer Unternehmungslust noch Gesellschaft geleistet. Ist doch wohl nicht verboten, oder?« Tom funkelt Dwaine herausfordernd an. »Du warst außerdem noch schwer beschäftigt, deine beiden Tischdamen zu beeindrucken.« Er grinst über das ganze Gesicht.
Verstehe, das ist ganz offensichtlich so ein Jungsding und Toms Retourkutsche für Dwaines Schilderung des netten Samstagabends mit mir. Ich beschließe, mich da rauszuhalten. Sollen sie sich ruhig kloppen, ich werde in der Zeit noch ein bisschen arbeiten.
»So. Müde hin oder her – ich muss noch mal in Ruhe mit der Agentur telefonieren. Ich schlage vor, wir treffen uns in einer Stunde am Auto und fahren dann nach … was ist eigentlich der nächste Veranstaltungsort? Ich komme schon durcheinander.«
»Holtau«, sekundiert Tom.
»Okay, also in einer Stunde Abfahrt nach Holtau. Bis später!« Ich schnappe mir meine Tasche und marschiere aus dem Frühstücksraum.
Susanne unterwegs und Salchow im Weidner-Verlag in einer Besprechung. Wichtige E-Mails habe ich auch keine bekommen – es scheint, dass man auch ohne mich gut zurechtkommt. Na gut. Dann kann ich ohne schlechtes Gewissen noch ein paar private Telefonate führen. Ich setze mich auf die Bank neben dem Hoteleingang. Für einen Märztag ist es ungewöhnlich warm, und die Sonne wirft ein paar einladende Strahlen auf besagte Bank. Als Erstes rufe ich meine Schwester an. Ich werde das Gefühl nicht los, dass im Hause von Kannhardt momentan nicht alles im Lack ist. Es klingelt sehr lange, dann meldet sich eine ziemlich verschnieft klingende Finja.
»Hallo Schwesterlein«, begrüße ich sie erstaunt, »du klingst ja furchtbar. Ist etwas passiert?«
»Ach, du bist es, Nina. Nee, ich bin nur furchtbar erkältet.«
»Echt? Samstag warst du doch noch fit.«
»Ja, komisch. Ging gestern los. Hat mich auf einmal umgehauen wie einen gefällten Baum.«
»Du Arme!«
»Sag mal, wo seid ihr denn gerade? Du bist doch noch auf dieser Tournee, oder?«
»Richtig. Jetzt sind wir noch in Üxleben, das ist ein Kaff im Westharz, heute Abend gastieren wir dann in Holtau, das dürfte schon Sachsen-Anhalt sein. Also von Hamburg aus grobe Richtung Goslar. Warum?«
»Ach, ich habe nur überlegt, dich da mal zu besuchen.«
Mich? Besuchen? Im Westharz?
Das ist nun aber eine sehr unerwartete Wendung! An der Geschichte stimmt etwas nicht, da kann man eindeutig mit dem Stock dran fühlen. »Aber ich denke, du bist so erkältet. Ist das dann das Richtige für dich?«
Finja schluckt hörbar. »Also, so schlecht geht es mir auch wieder nicht, und ich habe das Gefühl, ein Tapetenwechsel würde mir ganz guttun.«
»Klar, warum auch nicht. Aber wie machst du das mit den Kindern? Willst du die etwa mitbringen? Ich glaube nicht, dass das hier so spannend für die drei …«
»Natürlich will ich die Kinder nicht mitbringen«, fällt Finja mir mit einem motzigen Unterton ins Wort. »Dann könnte ich auch gleich zu Hause bleiben. Ich werde Mama fragen, ob sie mal einspringen kann. Die ist ja seit gestern aus der Karibik zurück. Außerdem haben die Kinder auch einen Vater. Vielleicht kümmert
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