Salai und Leonardo da Vinci 01 - Die Zweifel des Salai
nicht etwa auf sie hören, oder? Aber er hat mir nicht mal geantwortet, nemlich er hatte ja so schon Angst gehabt und erst recht nachdem er die Karte vom Gehängten gesehen, da ist er vor Grausen zerbröselt als wie ein Stück Papier wenn du’s ins Feuer wirfst, und heute hat er sich aus dem Staub gemacht. Er ist zwar feige wie ein Kaninchen aber ich kann ihm nicht ganz Unrecht geben, wo wir doch erst diesen Zettel mit dem Gehenkten in der Herberge finden und dann kommt die Karte mit dem selben Bild zum Vorschein, und wollen wir wetten dass Valentino meinen Lionardo zum Schluss wirklich aufhängen lässt?
Stets Euer dienstbereiter
Salaì
25.
Mein ehrwürdiger und durchlauchtigster Padrone,
auch wenn er wieder allein ist, will der treue Salaì doch nicht auf Eure Kosten müßig sein. Wo mir sowieso niemand glaubt, wisst Ihr was, da geh ich einfach los und rede mit wem es mir passt und wann’s mir passt und wenn Lionardo später schimpft dann sag ich ihm, mein lieber Vater, von mir aus könnt Ihr ruhig abhaun aus Rom wenn ihr Bammel habt, aber dann kümmre ich mich allein um meine Angelegenheiten, denn wenn nochmal ein Dieb mit Messer in die Herberge kommt muss ich ja dran glauben, nicht Ihr.
Zuerst bin ich Kopernikus besuchen gegangen, und wie er mich sieht reißt er die Augen auf, so überrascht ist er, aber lässt mich in sein Zimmer in der Herberge und lächelt. Gleich bietet er mir Wasser Wein Brot und Schinken an und denkt gewiss wer weiß was er kriegt von mir, und ich nehme gerne vom Schinken und vom Wein, doch dann fang ich gleich an ihm nur die Fragen zu stellen die mich interessiren. Erst ist er enttäuscht aber dann freut’s ihn dass er antworten kann, nemlich die Schwuchteln sind wie die Weiber, sie schwatzen gern, und ich glaub sie sind auch eitel, denn wenn sie was wissen, können sie der Versuchung nicht widerstehn sich zu brüsten, und wollen zeigen, seht her was ich alles weiß und wie gut ich es erzählen kann, sonderlich wenn sie vor dummen Jungs stehn als wie Salaì.
Also gut, Signior Kopernikus, fang ich an, diese Sache da anderntags nemlich die mit der Germania von Tacitus und Poggio Bracciolini, die habt Ihr mir nicht bis zu Ende erzählt. Was Kopernikus mir dann geantwortet hat, Signior Padrone, das hat mich auf die Idee gebracht dass die Menschen heutzutage die Dinge nicht mal dann verstehen wann du sie ihnen in die Augen bohrst, und sind fürwahr alle Rindviecher und haben bloß Stroh im Kopf. Dieser Poggio Bracciolini ist nemlich beileibe kein so ehrlicher Mann wie alle sagen! Erstmal hat Poggio nicht nur ernste Bücher geschrieben, von wegen, er hat einen Haufen Facezien drucken lassen, das sind schmutzige Scherze und Witze und sonderlich Geschichten von Priestern und Mönchen die Schweinereien mit Weibern machen. Außerdem hat er mit verschiedenen Frauen an allen Ecken und Enden eine Unmenge Bastarde in die Welt gesetzt, und als er alt war da hat er ein Mädchen geheiratet die zählte erst achtzehn Jahre, natürlich, und reich war sie obendrein, und der hat er nochmal dutzendweise Kinder gemacht, und gefressen und gesoffen hat er als wie ein Schwein und hat einen Haufen Händel wegen seiner Lügen und Beleidgungen gehabt und lag mit der halben Welt in Streit.
Wie auch immer, Kopernikus erzählt dass die italienschen Antikisten alle vernarrt waren in die Antike und die Kultur und die Literatur und in das was sie die menschlichen Werte nennen, nemlich ihrer Meinung nach haben in den vergangnen Jahrhunderten die christlichen Filosofen und die Mönche und die Priester und überhaupt alle Menschen immer viel zu viel an die Religion und an Gott gedacht, aber jetzt ist endlich mal der Augenblick gekommen, an den Menschen zu denken der das wichtigste ist auf der ganzen Welt. Das scheint mir ein großer Mist, Signior Padrone, weil Gott hat den Menschen erschaffen und ist viel besser und intelligenter und stärker als wir, drum zerquetscht er uns auch zu Mus wann er will, aber ich erzähle besser weiter.
Also soll man jetzt denken dass der Mensch wichtig ist und Gott dagegen nicht, und darum haben die Antikisten sich auf die lateinischen und heidnischen Schriftsteller gestürzt die Jesus nicht mal gekannt haben, doch die Antikisten waren sich alle einig und haben gesagt, oh wie tüchtig diese antiken Römer waren, wie klug und edel und weise. Richtig lustig aber ist dass sie selbst sich die Weisheit und die Menschlichkeit und die Güte sonstwo hingesteckt haben, ja untereinander haben
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