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Sally

Sally

Titel: Sally Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elke Päsler
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einen Kopf größer als ich, genaugenommen um dreiundzwanzig Zentimeter, wie ich später, als ich seine Maße nahm, feststellte. Ich bin allerdings für eine Frau auch eher klein.
    »Ich bin der Mann, der Ihnen gestern bei McDonald’s die Tür aufgehalten hat«, erklärte er mir und musterte mich unverhohlen intensiv.
    Ich hätte am liebsten laut aufgelacht. Dieses Selbstvertrauen musste man erst einmal haben.
    »Aha«, sagte ich also amüsiert. »Soll ich mich jetzt vielleicht dafür bedanken?«
    Da lachte er offen und gewinnend. Bestimmt dachte er, dass er mit diesem Lachen jede Frau betören konnte. Mir lagen ein paar ironische Bemerkungen auf der Zunge. Aber der Kunde istKönig. Und Linnerth hatte am Telefon etwas von einem Hemd und einer Hose gesagt. Beides würde Bares bringen, das ich dringend benötigte. Also blieb ich freundlich.
    »Ich wollte Sie wiedersehen und habe Sie hier gefunden«, verkündete der Mann stolz.
    »Wofür allerdings kein sonderlicher Scharfsinn nötig war«, erwiderte ich nun doch etwas bissiger als geplant. »Schließlich steht mein Name samt Adresse und Telefonnummer fett auf meinem Kombi.«
    Er lachte nur. Ich bat ihn freundlich herein.
    »Sie brauchen also ein Hemd und eine Hose?«, fragte ich ihn, einen geschäftlichen Ton anschlagend, als wir mein Atelier betraten. »Dazu muss ich Sie erst abmessen.«
    Bei Herrenhosen bleibt es uns Schneidern nicht erspart, ins Detail zu gehen. Rechts- oder Linksträger? Das macht im Schritt mindestens einen Zentimeter Unterschied aus. Im Fall Linnerth war mir das Ganze zum ersten Mal richtig peinlich. Besonders, als er sich unaufgefordert auszog.
    »Sie können das T-Shirt gerne anbehalten«, versuchte ich ihn zu stoppen, doch es war schon zu spät. Mit nacktem Oberkörper stand er vor mir. Im Normalfall war das vermutlich ein Punkt für ihn. Denn er zeigte einen breiten Brustkorb und hervorragend trainierte Bauchmuskeln.
    Leicht irritiert von seiner Selbstsicherheit vermaß ich ihn. Zuerst eruierte ich seinen Halsumfang. Ich legte das Maßband um seinen Nacken und zog es vorsichtig zu.
    »Ist es so weit genug?«
    Ich machte mit seiner Schulterbreite, seiner Taille und schließlich seiner Schrittlänge weiter. Erst als ich meine Messungen mit der Länge der Hosenbeine beendet hatte, bemerkte ich, wie amüsiert er mich beobachtete. Für mich zählte allerdings vor allem, dass er, ohne zu feilschen, bar und im Voraus bezahlte. Mit den Geldscheinen drückte er mir seine Visitkarte in die Hand.
    »Damit Sie mich jederzeit erreichen können«, sagte er.
    Als er mir draußen vor der Tür von seiner Firma erzählte, tat er es ohne Protzgehabe. Widerwillig gestand ich mir ein, dass mir seine gewandte Art und seiner Schlagfertigkeit gefielen. Für beides hatte Mario weder Gespür noch Talent. Linnerth betrieb ein Fitnessstudio mit einigen Angestellten in Wiener Neustadt. Nebenbei verdiente er wie viele Studiobetreiber Geld mit dem Direktvertrieb von Nahrungsergänzungsmitteln.
    »Wenn Sie Interesse an einem lukrativen Nebenjob haben, lade ich Sie für den kommenden Montag gerne zu einem Informationsabend in meine Firma ein«, hatte er zum Abschied gesagt.
    Während Mario, der selbst nie Alkohol trank, Heinz im Wohnzimmer ein Bier nach dem anderen kredenzte, zog ich mich in die Werkstatt zurück und versuchte einen klaren Kopf zu behalten. Die Schneiderei allein würde niemals genug abwerfen, um unser Haushaltsbudget zu sanieren. Ich könnte den ganzen Tag nur nähen und unser Schuldenberg würde doch immer weiter wachsen. Sparen war schwierig. Auf die Besuche bei McDonald’s und ein paar Versicherungen konnten wir verzichten, aber an den großen Posten war nicht zu rütteln. Die Autos waren geleast und der Ausstieg aus den Verträgen wäre teuer gewesen. Das Haus wollte ich um jeden Preis erhalten. Selbst wenn wir es verkauft hätten, wäre uns nach Tilgung der Belastungen kaum genug übrig geblieben, um eine kleine Wohnung zu beziehen. Es blieb also nur die Flucht nach vorne, und das hießstrampeln. Ich musste irgendwie mehr Geld verdienen, und dabei war Linnerth zweifellos die bessere Option als Heinz. Mario würde angesichts unserer wirtschaftlichen Notlage auch nichts dagegen haben. Außerdem faszinierte mich der Gedanke, einmal rauszukommen aus meinem ruhigen Leben und für den eigenartigen Mann im Lexus zu arbeiten.
    Oben hörte ich die Kinder herumspringen, die eigentlich schon im Bett sein sollten. Vielleicht war es ja so etwas wie eine Fügung

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