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Sally

Sally

Titel: Sally Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elke Päsler
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lächerlich gewesen. Jeden Tag platzten neue Lebensversicherungen und Kredite, die Mario abgeschlossen hatte, und er versuchte inzwischen gar nicht mehr, neue an Land zu ziehen. So sehr ich mich auch bemühte, unsere wirtschaftliche Existenz brach unaufhaltsam zusammen.
    Ich musste schlafen. Morgen war wieder ein Tag mit dicht gedrängtem Zeitplan. In letzter Zeit vergaß ich manches, was bei mir ein schlechtes Zeichen war. Denn eigentlich war ich ordentlich und gewissenhaft wie alle im Sternzeichen JungfrauGeborenen. Wenn ich anfing, Dinge zu vergessen, hatte ich das Gefühl, allmählich die Kontrolle zu verlieren.
    Mario hatte meine Pyjamahose besiegt, kickte sie mit dem Fuß auf den Boden. Ich spürte das ganze Gewicht seines Körpers auf mir. Seine Bewegungen waren hastig und unkoordiniert.
    Die Kinder fertig machen und in den Kindergarten beziehungsweise in die Schule bringen. Vor dem Wegfahren das Frühstück für Mario bereitstellen. Dann zurück nach Hause, Inserate ins Internet stellen und E-Mails beantworten. Dann ein paar Stücke fertig nähen. Dann zu Herrn Wagerl fahren, meinem letzten Patienten aus meiner Zeit als Altenpflegerin, den ich die ganze Zeit über behalten hatte. Auf dem Weg zu ihm ein paar fertige Stücke aus der Schneiderei ausliefern und hinterher die Kinder abholen. Mittagessen kochen. Am Nachmittag Haus- und Gartenarbeit. Hoffen auf Kunden für die Schneiderei.
    Mario kam mit einem tiefen Seufzer, rollte von mir herunter und schnarchte übergangslos. Ich starrte in die Dunkelheit. Morgen war Montag, also stand am Abend ein Vortrag bei Linnerth an. Ich würde das grüne Kleid anziehen. Ich freute mich darauf. Endlich fielen mir die Augen zu.
    Ich schreckte aus dem Schlaf auf. Es war drei Uhr morgens. Leise schlich ich in mein Büro. Der Computer war im Ruhezustand. Im Posteingang befanden sich acht neue E-Mails. Wieder hatte eines der Mädchen, die ich kontaktiert hatte, gefragt, wie viel sie pro Tag verdienen würde. Pro Tag? Was für Vorstellungen hatten die denn? Ich schrieb ihr zurück. Das Haus lag so friedlich und still da. Ab und zu knackste es irgendwo. Bobby hatte sich zu meinen Füssen eingerollt. Seine regelmäßigen Atemzüge beruhigten mich. Morgen würde ich Mario fragen, ob er nicht doch wieder massieren wollte. Ich hatte keine Ahnung, was erden ganzen Tag über trieb. Zwar beteuert er immer, dass er arbeitete, aber die einzigen Zeugnisse seiner Aktivitäten waren verschwitzte Trainingsanzüge in der Wäsche. Wie lange war ich nicht mehr in der Sauna oder im Fitnessstudio gewesen?
    Trotzdem stiegen unsere Schulden, statt zu sinken. Wenn ich nur meine Mutter bitten könnte, uns ein wenig zu unterstützen. Aber sie würde vor Sorge krank werden. Vor Kurzem hatte sie mich ganz alarmiert angerufen. Frau Kowelski, ihre Nachbarin, hätte mich auf der Straße gesehen und ich hätte so schlecht ausgesehen. Ich hatte mehr als eine halbe Stunde gebraucht, um sie zu beruhigen.
    Ich spürte meinen Rücken nicht mehr. Tat er weh? Ich wusste es nicht. Schnell warf ich einen Blick auf den aktuellen Kontostand. Es war wirklich zum Verzweifeln. »Zehntausend Euro«, stand da, aber in Rot und mit einem Minus davor. Ich verdrängte die Zahl rasch wieder. Doch der morgige Einkauf würde eine Herausforderung werden. Mir war das Essen egal, aber die Kinder sollten nichts von unseren Schwierigkeiten merken. Ich wog mittlerweile nur noch siebenundvierzig Kilo, was spürbar unter meinem Normalgewicht war.
    Wenige Stunden später erwachte ich vom Rufen der Kinder.
    »Mama, Mama!«
    Anke war schon in aller Früh ein Wirbelwind. Mario lag noch schwer am anderen Ende des Bettes. Ihn schien nichts um seinen Schlaf bringen zu können.
    »Kinder, wie weit seid ihr mit dem Anziehen?«
    »Fast fertig. Bobby will raus!«
    Ich setzte Wasser auf. Früchtetee war ohnehin gesünder als ständig gezuckerter Kakao für die Kinder. Es gab auch noch ein bisschen Brot von vorgestern. Ich würde es im Rohr aufbacken.
    Schritt für Schritt spulte ich mein Tagespensum ab. Ich war ein wenig spät dran, als ich bei Herrn Wagerl ankam. Zu seiner Wohnung besaß ich längst einen Schlüssel, denn er schaffte es nicht mehr bis zur Tür. Von drinnen schlug mir ein intensiver Geruch entgegen.
    »Hallo Herr Wagerl! Ich bin’s, Elke.«
    Ich hörte ein Krächzen, dann folgte ein dumpfer Knall.
    »Herr Wagerl, alles in Ordnung?«
    In der Küche lag ein gekrümmtes Männlein am Boden. Sein rechtes Bein hatte sich in den unteren

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