Salomes siebter Schleier (German Edition)
ausgerenkt. Oj!»
Spike zog seine Schuhe aus und legte sich aufs Bett. Ellen Cherry zog ihre neuen Schuhe an und legte sich neben ihn. Sie trug ihren Kimono und ein Höschen, das von seinen weniger glücklichen Gefährten in der Schublade heftig beneidet wurde. Diese ermahnten sich gegenseitig immer wieder zum Schweigen; sie konnten sich einfach nicht entscheiden zwischen ihrem Cola-Light-Gezwitscher und dem Versuch, die Ohren zu spitzen und mitzukriegen, was im Schlafzimmer los war. Nur Daruma, der Vibrator, schien zu spüren, dass irgendetwas falsch lief und seine kichernden
zenbo
wohl enttäuscht werden würden. «Wenn Rettich kocht, tränt es aus dem Schornstein», sagte er.
Das Pärchen nippte abwechselnd an einer Flasche Rum, die Ellen Cherry seit neuestem auf dem Nachttisch stehen hatte. «Kann ich etwas für dich tun?», fragte sie.
«Nein, nein», antwortete Spike und biss die Zähne zusammen. Dann erzählte er ihr von einem Journalisten der
Village Voice
, der am Nachmittag im I & I erschienen war und ihn mit Fragen über Salome gelöchert hatte. Der Journalist hatte sie am Samstagabend tanzen sehen, und jetzt wollte er einen Artikel über sie schreiben. «Ich sage zu ihm, okay, Sie schreiben, was Sie wollen, aber sie redet nur mit ihre Tamburin.»
«Das stimmt, Spike. Ich habe sie in den ganzen zwei Monaten nicht mal pieps sagen hören. Und kaum ist die Vorstellung beendet, macht sie sich aus dem Staub.»
«Also ich sag zu ihm, schreiben Sie, schreiben Sie, aber dass Sie nicht vergessen, ein Jude und ein Araber gemeinsam haben es ermöglicht.»
«Gut, das macht er bestimmt. Die
Voice
ist nicht irgendein Käseblatt. Bei der sind sogar die Kleinanzeigen politisch.»
«Oj! All die einsamen Herzen, die stellen heraus ihre Vorzüge, und dann sie vergessen anzugeben, welche Schuhgröße haben sie oder welche Zustand ihre Füße!»
Sie unterhielten sich eine Weile darüber, wie einsam sie gewesen waren, bevor sie zueinandergefunden hatten, wie sie jedoch lieber vor Einsamkeit gestorben wären, als eine Anzeige aufzugeben, und ob diese Einstellung nun eher ein Zeichen von Würde oder von Verklemmtheit sei. Es war herrlich gemütlich, so dazuliegen und zu reden, und Spikes Schmerzen schienen, wie auch das Gewitter, nachzulassen. Jedenfalls verzog er nicht mehr so angestrengt das Gesicht. Ellen Cherry fühlte sich dem Thema von Reverend Buddy Winklers Attacke noch nicht ganz gewachsen, deshalb erzählte sie zunächst von Ultima und der Ausstellung in der Galerie.
«Ultima hat wahrscheinlich recht, ihre Künstler gestehen ihre Niederlage ein. Aber das Ausgeklinkte daran ist, dass sie erwarten, für diese Niederlage
belohnt
zu werden, als wäre selbst sie noch ein Triumph. Kapierst du das? Sie glauben, dass sie ethisch und sozial gesehen das Recht haben, ausgestellt, besprochen und gesammelt zu werden, und es spielt überhaupt keine Rolle, dass ihre Arbeiten ein bewusster Protest gegen das Ausstellen, Besprechen und Sammeln sind. Alles andere, jegliche Bevorzugung von Leuten, die über außergewöhnliches Talent verfügen, wäre unfair, undemokratisch, elitär, reaktionär und weiß der Geier was noch alles. Lieber Himmel! Ich hätte nie gedacht, dass Mittelmäßigkeit eine solche Tugend sein könnte. Aber es sieht so aus, als würde sie von sämtlichen verbreiteten politischen Systemen gefördert.»
«Vielleicht du würdest die Knute vorziehen?»
Zuerst glaubte sie, dass Spike sie zu einem ihrer sexuellen Experimente einladen wollte, und war von seiner ungewohnten Direktheit überrascht, doch dann kapierte sie. «Die Knute? Nein, nein, die Zeit der Tyrannei ist vorbei! Ich weiß nicht, welches System ich vorziehen würde. Aber ich weiß, dass Menschen, die sich wirklich hervortun – egal, ob sie Kunstwerke schaffen oder Geschäfte machen –, kaum je ein großes Getue um Gleichheit machen, außer vielleicht im rechtlichen Bereich. Gleiche Ausgangsbasis, ja. Gleiche Ergebnisse – unmöglich. Bei denjenigen, die sich darüber aufregen, dass nicht alle gleich sind, dass es Konkurrenz gibt, Qualitätsunterschiede, dass Kunstwerke von einer Aura umgeben sind, handelt es sich im Allgemeinen um Leute mit durchschnittlichen Fähigkeiten und einem durchschnittlichen Bewusstsein. Allerdings auch einem unterdurchschnittlichen Sinn für Humor. Ganz gleich, ob es darum geht, die Benachteiligten zu fördern oder die Begabten zu bremsen – sie wollen, dass alle Welt auf
ihrem
Level funktioniert. Was für ein
Weitere Kostenlose Bücher