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Salzträume 2: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition)

Salzträume 2: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition)

Titel: Salzträume 2: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ju Honisch
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überlegte sich kurz, ob er dessen Kleidung komplett für sich übernehmen sollte, doch das würde zuviel Zeit kosten. So nahm er nur dessen Rock. Die Taschen waren ohnehin schon leer.
    „Christlich ist das nicht“, murmelte er und schob den bebenden Körper unter den Felsen. „Der Berg hat uns behütet. Möge er auch dich behüten.“ Er zeichnete mit seinem Finger ein Kreuz auf die Stirn des Mannes und fühlte sich recht scheinheilig dabei. Er ließ ihn hier sterben. Religiöse Riten machten das nicht besser.
    Ein letzter Blick, dann wandte er sich schnell um. Er erreichte den Wagen eine Minute später, zog sich den neuerworbenen Rock über, stieg auf den Bock, nahm die Zügel, fuhr los. Er sagte nichts.
    Er war Agent. Mehr gab es dazu nicht zu sagen. Er tat besser daran, darüber nachzudenken, wie er in die kaiserliche Villa in Ischl kommen würde. Er hatte einen Ring erhalten, den er zeigen konnte.
    Doch er kam spät, viel zu spät. Ihre Majestät, Kaiserin Elisabeth von Österreich, mochte längst abgereist sein, nach Wien oder nach Italien oder wo immer sie gerne hinreiste. Sie liebte es zu verreisen. Es war gut möglich, daß sie bereits fort war.
    Und was dann? Hatte sie einen Kontaktmann zurückgelassen? Würde er diesen ausmachen können? Und was genau würde er berichten? Was, wenn das Kaiserpaar seine Meinung, die Waffe sei ein Desaster, nicht teilte? Was, wenn es ihnen bereits leid tat, zwei Fremde in ein Geheimnis eingeweiht zu haben, das sie nicht mit anderen Ländern teilen mochten? Möglich war das, wahrscheinlich sogar. In dem riesigen österreichischen Vielvölkerstaat kriselte es andauernd an irgendeiner Ecke. Eine solche Waffe würde den Sieg der kaiserlichen Macht garantieren. Vielleicht würde danach nicht viel von Italien oder Ungarn übrig sein, doch konnte man das vorher wissen?
    „Was hast du mit ihm gemacht?“ fragte Marie-Jeannette.
    „Ich habe ihn dem Berg übergeben“, sagte er. „Der Fels und das Wasser behüten ihn. Und er ist nicht leicht zu finden.“
    „Ist er … war er …“
    „Er hat noch gelebt, als ich ihn abgelegt habe. Vermutlich aber nicht mehr lange.“
    „Oh.“ Sie wurde ganz still.
    Eine Weile hörte man nichts außer den gedämpften Hufschlägen auf dem Waldboden. Wenn die Verfolger bereits unterwegs waren, so waren sie immerhin zu weit, als daß man sie hören konnte. Doch vielleicht waren sie auch schon ganz nah und kamen Minute für Minute näher. Reiter kamen schneller voran als Pferd und Wagen.
    Der Weg führte noch einmal eine Anhöhe hoch, und dann lag die Hauptstraße vor ihnen. Er wandte die Pferde nach rechts und fuhr erneut auf Ischl zu.
    „Marie-Jeannette, wickle dich in die Decke, damit dich niemand in Männerkleidung sieht. Das wirkt verdächtig.“
    Sie antwortete nicht, gehorchte nur still. Eine Weile schwiegen sie wieder. Die Straße war sehr viel besser als der Waldweg, den sie entlanggekommen waren, und der Wagen fuhr relativ ruhig darauf hin.
    „Werden sie uns verfolgen?“ fragte sie schließlich. Er knallte mit der Peitsche.
    „Das werden sie wohl. Wenn sie die Kutsche nicht mehr finden, werden sie vielleicht annehmen, daß wir etwas damit zu tun haben.“
    „Aber er hat doch gesagt, daß sie geglaubt haben, wir wären abgestürzt.“
    „Vermutlich hat man ihm das so berichtet. Doch die Männer, die ihm das berichtet haben, wissen sehr wohl, daß das nicht stimmen muß.“
    „Aber vielleicht haben sie es selber auch geglaubt? Es ist einfacher zu glauben, als daß wir uns in Luft aufgelöst haben oder in Stein verwandelt wurden.“
    Sie hatte recht. Menschen tendierten dazu, das zu glauben, was leicht zu glauben war. Die Sí hatten Tausende von Jahren im verborgenen überlebt, weil es leichter war, nicht an sie zu glauben.
    „Marie-Jeannette, hast du dich sehr gefürchtet, als wir in Stein verwandelt wurden?“
    „Nein, nur ein bißchen. Ich hatte vor den Männern mehr Angst. Ich habe sie reden hören über den Mann, dem ich auf den Kopf geschlagen habe. Er hinterläßt Frau und Kinder. An so was … habe ich nie gedacht … ich hätte nie …“
    Sie hielt abrupt inne. Dies wäre der richtige Zeitpunkt, sie in den Arm zu nehmen und sie zu trösten. Doch sie hatten keine Zeit dazu.
    „Du hast getan, was nötig war, Kleines. Denk nur, was er dir getan hätte, wenn du dich nicht gewehrt hättest.“
    „Er war Ehemann und Vater. Vielleicht hätte er ja gar nicht … ich meine, vielleicht wollte er gar nicht … ich habe ihn

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