Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Salzträume 2: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition)

Salzträume 2: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition)

Titel: Salzträume 2: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ju Honisch
Vom Netzwerk:
das wir wissen müssen, dann sagen Sie es uns bitte gleich.“
    Ist sie noch da? Können Sie sie noch im Wasser spüren, wollte er fragen, doch er unterließ es. Wozu?

Kapitel 46
    Den steilen Hügel zwischen Kammersee und Toplitzsee zu erklimmen war für alle eine Strapaze. Mr. Fairchild übernahm die Vorhut und trug ganz offen eine geladene Pistole in der Hand, bereit, jeden zu erschießen, der sie aufzuhalten gedachte. Sein harsches Gesicht war zu einer steinernen Maske geworden, die eine gewisse mordgierige Entschlossenheit ausdrückte. Er sah aus, als warte er voller Ungeduld auf Gegner.
    Leutnant von Orven ging als Nachhut, ließ seine Blicke über die Umgebung gleiten, schaute hinter Bäume und Büsche, trieb die müde Gruppe an und fragte immer wieder, ob es allen gut ging. Meist bekam er keine Antwort.
    Sich unter diesen Bedingungen zu unterhalten war ohnehin schwierig. Der Weg war steil und gefährlich uneben. Das nasse Herbstlaub auf dem Boden machte den kurzen Anstieg zur Rutschpartie. Wurzeln standen kreuz und quer aus dem Grund hervor wie Stolperfallen, und graue Felsbrocken ragten aus der nach Pilzen duftenden Erde und zwangen die Wanderer zu einem gewundenen, umständlichen Weg. Der kleine, dunkle See hinter ihnen, unten im Tal, sah genauso geheimnisumwittert aus wie eh und je.
    An seinem westlichen Ufer hatten sie gestanden und darauf gewartet, daß das Höhlensystem auf der anderen Seite in die Luft gehen würde. Donner hatte den Äther erfüllt, mit anhaltendem Echo von Bergwand zu Bergwand gehallt. Dann bewegte sich eine graue Wolke langsam auf sie zu. Der Wasserspiegel des Sees senkte sich und ließ den Weiher nun noch kleiner aussehen. Mit einem Mal versiegte der Wasserfall, um Minuten später an anderer Stelle aus dem Fels zu brechen, etwas weiter hinten im Tal.
    Sie waren auf der Flucht, fort von den Gefahren, die sie bereits gemeistert hatten, hin zu Gefahren, von denen sie noch nichts wußten. Müde und erschöpft waren sie alle, und der Verlust einer der ihren hing wie eine dunkle Wolke über ihnen. Auch wußten sie, es war noch nicht vorüber. Jeder von ihnen mochte jeden Moment einer weiteren Kugel aus dem Hinterhalt zum Opfer fallen.
    Sophie ging neben Charlotte. Torlyns junge Freundin wirkte benommen, ging vor sich hin wie ein Geist. Ihre Blässe unterstützte diesen Eindruck, wie auch ihr ins Weite gehender Blick, ihre herunterhängenden Arme und ihre mechanischen Bewegungen.
    Die junge Frau trug nun einen Jägeranzug. Da sie so groß war, hatte sie einen Herrenanzug gefunden, der ihr gepaßt hatte. Wenn man nicht genau hinsah, mochte man sie für einen gutaussehenden Jüngling halten. In ihren müden Bewegungen war keine damenhafte Anmut zu finden, und das einzige, das ihr Geschlecht verriet, war ihre Büste, doch die lockere graue Joppe versteckte die verräterischen Rundungen weitgehend.
    Zweimal war Charly schon über ihre eigenen Füße gestolpert, doch sie hatte sich immer wieder ohne Hilfe hochgerappelt, ohne zu klagen. Dabei war sich Frau Treynstern sicher, daß sie sich beim zweiten Sturz das Knie aufgeschlagen hatte. Vielleicht hatte sie die Schwelle überschritten, wo sie solche Dinge noch registrierte. Sie blieb stumm. Sie hatte kein einziges Wort mehr gesprochen, seit Delacroix versucht hatte, sie zu erwürgen. Frau Treynstern glaubte allerdings, daß es das Herz und nicht die Kehle war, was ihr die Stimme abschnürte.
    „Bald bist du zu Hause, mein tapferes Mädchen“, versicherte Torlyn der jungen Frau. Er ging vor ihr, geführt von der Sängerin. Er sah ungewohnt aus. Seinen Kopf und sein Gesicht hatte er komplett in Cérise Denglots Seidenschal eingehüllt, soviel wie möglich bedeckt, sogar die Augen. Seine Hände hatte er in Sophies Handschuhe gezwängt. Ein weiterer Schal, den sie in der Höhle requiriert hatten, war um seinen Hals geschlungen.
    Er litt. Eine strahlende Herbstsonne brannte unbarmherzig herunter, nicht eine einzige Wolke war mehr am Himmel, der Frühnebel verflogen. Nur die Bäume spendeten dünnen Schatten.
    Unter anderen Umständen hätte Torlyn einfach Deckung gesucht und auf den Einbruch der Nacht gewartet. Doch er wollte die Gruppe nicht allein lassen, auch wenn er im Moment eher eine Belastung denn eine Hilfe war. Letztere Erkenntnis behagte ihm nicht, genausowenig wie die, daß all diese Menschen immer mehr über ihn herausfanden. Doch morgen schon würde er dafür gesorgt haben, daß sich die meisten nicht mehr daran erinnerten, den Grafen

Weitere Kostenlose Bücher