Sambanächte mit dem Playboy
nach dem Umschlag und presste ihn an ihre Brust, so als glaube sie, er würde auf diese Weise unsichtbar. „Das ist persönlich“, sagte sie und hoffte, dass die anderen sich daraufhin zurückziehen würden.
„Öffne ihn hier!“, forderte der Redaktionsleiter sie mit seiner üblichen unsensiblen Art auf. „Wenn es etwas ist, was dich aufregt oder erschüttert, kann jemand anders deine Arbeit übernehmen, damit wenigstens etwas heute erledigt wird.“
„Ist er nicht ein Schatz?“, murmelte eine ihrer Kolleginnen sarkastisch und fügte dann lauter hinzu: „Wir sind alle auf deiner Seite, Holly. Und der Größe des Umschlags nach zu urteilen, könnte etwas mehr darin sein als nur ein Brief.“
Was soll es schon sein? dachte Holly. Ruiz hatte am vergangenen Abend mehr als deutlich gemacht, dass er einen sauberen Schnitt wollte. Vielleicht hatte sie etwas in dem Samba-Club vergessen, das er ihr zurückschickte, auch wenn sie nichts vermisste …
„Es sind Papiere einer Fluggesellschaft“, verriet Freya ihren Kollegen, als Holly den Umschlag öffnete. „Und da ist noch etwas“, rief sie aufgeregt aus.
„Erlaubt ihr?“, sagte Holly zitternd. Dann ging sie zum Fenster hinüber und drehte den anderen den Rücken zu. Zuerst las sie die handschriftliche Notiz. „Hast du schon über dein Leben nachgedacht, Holly? Darüber, wer du wirklich sein willst? Vielleicht hilft dir der Inhalt dieses Umschlags dabei. Ruiz.“
„Alles in Ordnung, Holly?“, fragte Freya, als sie sich nicht von der Stelle rührte. „Hast du schon nach dem Flugticket geschaut?“
Flugticket, dachte Holly benommen und richtete ihre Aufmerksamkeit auf den restlichen Inhalt des Umschlags. „Oh, mein Gott! Das ist doch lächerlich …“
„Was ist es?“, rief der Redaktionsleiter.
„Ein Erster-Klasse-Ticket nach Buenos Aires für den Flug heute Abend. Und ein VIP-Pass für das Polo-Spiel.“ Holly hielt die Papiere hoch, so als müsse sie sich von den anderen bestätigen lassen, dass sie real waren. Als sich die Aufregung etwas gelegt hatte, schüttelte sie den Kopf. „Was für eine Verschwendung.“
„Verschwendung?“, fragte der Redaktionsleiter scharf.
„Nun, ich werde die Tickets nicht benutzen.“ Holly kehrte an ihren Schreibtisch zurück und sank matt auf den Stuhl. „Wie sollte ich, wo ich doch hier so viel zu tun habe?“
„Pack deinen Laptop ein und flieg“, befahl ihr Chef brüsk. „Du kannst uns deine Texte von überall schicken, solange du eine funktionierende Internetverbindung hast, Holly. Und wenn du dieses Angebot nicht annimmst, dann bist du gefeuert.“
„Was?“, rief sie und sprang auf.
„Warst du nicht diejenige, die mir sagte, die ‚WG mit einem Playboy‘-Kolumne steuere auf ihr natürliches Ende zu?“, erinnerte sie ihr Boss. „Meinst du nicht, diese Reise nach Argentinien ist der Schlüssel, um sie mit neuem Leben zu füllen?“
Und ihr Leben wieder völlig auf den Kopf zu stellen? Wollte sie das? Wäre es nicht viel einfacher, irgendetwas für die Kolumne zu erfinden und sich selbst aus der Sache rauszuziehen? „Ich kann es mir nicht leisten, Urlaub zu nehmen“, erklärte sie rundheraus.
„Wir übernehmen deine Spesen und zahlen deinen Lohn, während du weg bist, solange du täglich etwas für die Kolumne schreibst“, erklärte der Redaktionsleiter, der sich immer mehr für die Idee erwärmte, je länger er darüber nachdachte. „Du bist gerade zur ROCK!s Auslandskorrespondentin ernannt worden. Stell dir doch mal vor, was das für die Leserzahlen bedeutet!“, fügte er hinzu und rieb sich dabei bereits die Hände.
Leserzahlen. Großartig. Aber sie fühlte sich innerlich ganz leer. Was war nur los mit ihr? Endlich war sie so erfolgreich, wie sich es sich immer erträumt hatte.
Doch was für ein hohler Triumph! Was war mit dem Mann? Was war mit Ruiz?
Die Vorstellung, ihn wiederzusehen, war absolut beängstigend. Sie wusste nicht, was sie erwarten sollte. Konnte sie es tun? Konnte sie wieder mit Ruiz zusammen sein, über ihn schreiben und dabei völlig distanziert bleiben? „Und was ist mit mir?“, platzte sie heraus, als die Verzweiflung überhandnahm.
„Was soll mit dir sein?“, entgegnete der Redaktionsleiter verständnislos. „Du bist Teil eines Teams, Holly. Du trägst Verantwortung.“
Er hat recht, dachte sie. Ich kann die Redaktion nicht im Stich lassen – nicht nur mein Job hängt davon ab, sondern auch der aller anderen. Außerdem hatte es noch nie etwas
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