Samuel Carver 04 - Collateral
tue, indem ich den Termin für unsere Hochzeit festsetze, bevor ich an Altersschwäche sterbe.«
»Freut mich, Sie kennenzulernen, Brianna«, sagte Carver und gab ihr die Hand.
Von Nahem sah er die feinen Fältchen unter dem Make-up in ihrem hübschen Gesicht. Es wunderte ihn nicht, dass sie bei Klerk zum Abschluss kommen wollte. Sie war mindestens Ende dreißig und musste sich beeilen, bevor eine jüngere, frischere ihn wegschnappte.
»Hallo, Sam«, sagte sie mit Cheerleader-Lächeln.
Dann blickte sie Zalika an, als sähe sie sie zum ersten Mal. »Zalika, Liebes«, sagte sie bei einem doppelten Wangenkuss. »Du gibst wirklich eine süße Sekretärin ab. Aber willst du dich für das Dinner nicht umkleiden?«
»Es tut mir außerordentlich leid, Bree«, antwortete Zalika. »Ich habe so viel gearbeitet, ich hatte einfach nicht die Zeit. Aber dein Kleid ist so atemberaubend, da könnte ich gar nicht mithalten.«
Das Kompliment war nett formuliert, aber Carver spürte Feindseligkeit unter der Fassade. Jedes Wort war wie ein Dolch in Zuckerwatte. Diese beiden Frauen waren sich nicht grün.
»Also gut, genug geplaudert«, schaltete Klerk sich ein. »Brianna, meine Liebe, geh und sag Jean-Pierre, er kann mit seinen kostbaren Soufflés anfangen.«
»Natürlich, Liebling.« Brianna gab ihm noch einen kleinen Kuss, bevor sie ging.
Klerk wandte sich Zalika zu. »Gushungo – Hongkong. Fahr bitte fort.«
»Im vergangenen Jahr zahlte der Präsident über fünf Millionen Dollar für dieses Schlupfloch in Hongkong«, sagte Zalika, mühelos auf einen geschäftlichen Ton umschaltend. Sie war in der Rolle als Privatsekretärin sehr überzeugend gewesen, aber auch jetzt, wo sie intelligent und professionell ein gut vorbereitetes Briefing abhielt und die Schlüsselfakten aus dem Effeff beherrschte. Carver musste zugeben, dass er sie unterschätzt hatte.
»Hongkong ist kein Zufall«, fuhr sie fort. »Während der letzten fünfzig Jahre haben die Chinesen alles getan, um ihren Einfluss auf das postkoloniale Afrika zu vergrößern, und haben sich als Mitstreiter gegen den westlichen Imperialismus präsentiert. Es ist immer derselbe Deal. Die Afrikaner verkaufen den Chinesen ihre natürlichen Ressourcen, und die Chinesen sorgen für den Bau von Straßen, Bahntrassen, Elektrizitätswerken, Häfen, so ziemlich allem, was eine moderne Nation braucht.
Jedes Jahr gehen Tausende afrikanischer Studenten an chinesische Universitäten. Die Ironie besteht darin, dass der Durchschnittschinese ein noch größerer Rassist ist als ein Weißer. Die Studenten werden als schwarze Teufel bezeichnet. Seltsamerweise scheint das Gushungo nicht zu stören. Er schimpft seit Jahren über die Weißen, hat aber nie ein Wort gegen die Chinesen gesagt. Warum? Weil sie ihm gestatten, sein Geld ins Land zu bringen und dort Eigentum zu erwerben. Und sie tun etwas, das ihm noch viel wichtiger ist: Sie kaufen seine Diamanten.«
Sie schaltete durch eine Reihe von Aufnahmen: Scharen von Männern und Frauen mit Spaten und Spitzhacken, die schmutzverkrustet in Gräben arbeiteten.
»Das ist das Chidange-Diamantenfeld im Osten Malembas«, sagte Zalika. »Ein Waldgebiet, das möglicherweise das größte Diamantvorkommen der Welt darstellt. Die Steine liegen in der Erde, dicht unter Bodenniveau. Für die Wirtschaft des Landes könnte es jährlich Milliarden Dollar bringen, doch es ist nie angemessen ausgebeutet worden. Bis vor ein paar Jahren hatte De Beers, das große südafrikanische Unternehmen, das den Weltmarkt beherrschte, die Schürfrechte und plante einen Abbau im großen Stil. Aber 2006 wurden die Rechte einer englischen Firma übertragen, und dann, nur wenige Monate später, riss die Regierung sie an sich.
Natürlich bewältigt keine Regierung, die von Henderson Gushungo geführt wird, etwas so Komplexes wie die Errichtung einer Diamantmine. Folglich lagen die Diamanten da und warteten auf jemanden, der sie aufhebt. Und genau das passierte. Die Leute kamen zu Tausenden nach Chidange, in der Hoffnung, ein Vermögen zu machen. Das konnte Gushungo natürlich nicht dulden. Keiner sollte ihm seine Steinchen wegnehmen. Also schickte er seine Truppen hin. Die schossen ohne Warnung aus Kampfhubschraubern. Keiner weiß, wie viele Menschen dabei starben, Hunderte in jedem Fall. Denn in dem Wald lagen meilenweit überall Leichen. Als das Töten vorbei war, wurde das Gebiet abgesperrt, und man zwang die Überlebenden, die Löcher wieder zuzuschaufeln. Sie bekamen weder
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