Samurai 1: Der Weg des Kämpfers (German Edition)
Sonnenwappen ihn immer noch feindselig an.
»Akiko«, sagte Jack. Er senkte den Kopf und sprach so laut, dass die anderen Schüler an ihrem Tisch ihn hörten. »Ich bitte dich vielmals um Verzeihung. Ich bin noch von der Reise müde.«
»Danke für deine Entschuldigung, Jack«, sagte Akiko. Mit dieser förmlichen Annahme der Entschuldigung entspannte sich die Stimmung am Tisch sofort und die anderen nahmen leise ihre Gespräche wieder auf.
»Kannst du mir bitte sagen, wer dieser Junge ist?«, fragte Jack, erleichtert, dass eine gewisse Ruhe und Harmonie eingekehrt war. Vielleicht würde er sich doch noch an die japanische Etikette gewöhnen.
»Nein«, sagte Akiko.
»Aber ich weiß es«, sagte ein Junge eifrig, der Jack beim Essen gegenübersaß. »Er ist im selben Jahr wie wir und heißt Oda Kazuki. Er ist ein Sohn des Daimy ō Oda Satoshi, eines Cousins zweiten Grades der kaiserlichen Linie. Deshalb trägt er auch das kaiserliche Sonnenwappen. Seine Familie gilt als besonders wohlhabend und ist sehr mächtig. Vielleicht hat sein Vater ihn deshalb Kazuki genannt. Das bedeutet ›der Leuchtende‹.«
Alle sahen den Jungen, der so viel über Kazuki und seine Familie wusste, mit wachsendem Staunen an. Er schien von eher schlichtem Gemüt und hatte ein pausbäckiges Gesicht, an dem nur die Augenbrauen auffielen, zwei dicke schwarze Raupen, die er aufgeregt hochgezogen hatte.
»Entschuldigt bitte«, sagte er mit einer Verbeugung, »ich habe mich nicht vorgestellt. Ich heiße Saburo und bin der dritte Sohn von Shimazu Hideo. Unser Wappen zeigt zwei Falkenfedern – Symbole der Schnelligkeit, Anmut und Würde des Falken. Mein Bruder heißt Taro. Er sitzt dort in der Nähe des Kopftisches. Er gehört zu den besten Schwertkampfschülern der Schule und wird dieses Jahr die Technik der beiden Himmel lernen …«
»Es ist eine Ehre, dich kennenzulernen«, fiel Yamato ihm höflich ins Wort. »Ich bin Yamato, der Sohn von Masamoto Takeshi. Das ist meine Cousine Akiko und das ist Jack. Er kommt von der anderen Seite der Welt.«
Sie verbeugten sich voreinander.
»Aha, das ist der Gaijin, den Masamoto gerettet hat«, sagte Saburo und deutete eine kurze Verbeugung an. Dann beachtete er Jack nicht weiter und wandte sich wieder Yamato zu. »Auch ich fühle mich sehr geehrt, dich kennenzulernen, Yamato. Ich muss unbedingt meiner Mutter sagen, dass ich beim Essen dem Sohn Masamotos gegenübersaß. Was mit Tenno passiert ist, war wirklich schrecklich. Mein Bruder kannte ihn. Er hat oft mit ihm geübt …«
»Und wer ist das Mädchen neben dir?«, fragte Akiko rasch, die spürte, wie Yamatos Stimmung sich bei der Erwähnung seines Bruders verschlechterte.
Links von Saburo saß ein kleines Mädchen mit schulterlangen schwarzen Haaren und braunen, runden Augen. Saburo antwortete für seine Tischnachbarin, bevor sie selbst etwas sagen konnte.
»Das ist Kiku, die zweite Tochter von Imagawa Hiromi, einem berühmten Zen-Priester.« Alle verbeugten sich und Saburo fuhr fort. »Wer, glaubt ihr, wird unser erster Lehrer sein? Vielleicht Sensei Yosa? Hoffentlich. Sie ist bestimmt eine wiedergeborene Göttin. Sozusagen die Tomoe Gozen unserer Zeit, neh ?«
Jack merkte, dass Saburos gedankenlose Bemerkungen über Sensei Yosa Akiko kränkten. Er überlegte rasch, wie er das Gespräch auf ein anderes Thema bringen konnte.
»Was sind eigentlich die ›beiden Himmel‹, Saburo?«, fragte er aufrichtig interessiert.
»Ah, du meinst die ›Technik der beiden Himmel‹. Das ist Masamotos Geheimnis …«
Doch bevor Saburo Näheres erklären konnte, beendete Masamoto das Essen offiziell mit dem Ruf: »Go-chiso-samakohaita!«
Jemand antwortete laut: »Rei Sensei!«
Alle standen auf und verbeugten sich gleichzeitig. Auch Masamoto und die Lehrer erhoben sich und marschierten den Mittelgang der Halle entlang dem Ausgang entgegen. Die Schüler folgten ihnen stumm, nach Alter und Rang geordnet.
Erleichtert, den neugierigen Blicken der anderen in der Halle der Schmetterlinge zu entkommen, trat Jack in die Nacht hinaus. Immer wenn er von seiner Schale aufgesehen hatte, hatte Kazuki ihn verächtlich angestarrt. Die Schüler neben Kazuki hatten sogar über Bemerkungen gelacht, die er über den »Gaijin« gemacht hatte.
Jack schlenderte hinter Akiko, Yamato und Kiku her, denen der gesprächige Saburo folgte. Sie waren zur Halle der Löwen unterwegs. Jack blickte zum Sternenhimmel auf und suchte nach den Sternbildern, die sein Vater ihm gezeigt hatte:
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