Sanctum
und streichelte ihre Hand. »Jedenfalls nicht für sie.«
»Treten Sie zurück, Herr von Kastell.« Faustitia stellte sich dicht neben Lena. Zwei Schwestern in auffällig weiten schwarzen Soutanen traten heran und kontrollierten die Fesseln, mit denen die Frau an die Eisenrohre gekettet war. Eric meinte, an den Schultern die Abdrücke von schusssicheren Westen zu erkennen, und nahm an, dass es sich bei ihnen um Seraphim handelte. »Es kann laut und erschreckend werden.« Faustitia sprach ein Gebet, drehte den Verschluss der Ampulle und die Diode wechselte zu warnendem Rot. »Bereit?«, fragte sie nach rechts und links. Die Schwestern nickten.
Faustitia öffnete Lenas Mund. Langsam neigte sie die Ampulle über die Lippen.
Ein einzelner, dünner Tropfen wurde sichtbar, rann wie Sirup aus seinem Gefäß und landete genau auf der Zunge.
Schnell trat Faustitia zurück, stellte sich an die Wand und legte eine Hand auf einen Knopf, von dem Eric angenommen hatte, es sei ein Lichtschalter.
Zuerst tat sich nichts.
Dann begannen Lenas Lider zu flattern, Rauch kräuselte aus ihrem Mund, und sie stieß einen unmenschlichen Schrei aus. Ihr Oberkörper bäumte sich hoch, sie wollte sich aufrichten, aber die Ketten hielten sie fest.
Erst jetzt riss sie die Augen auf. Sie waren rot wie die der Bestie, voller Hass und Grausamkeit – aber auch voller Angst. Das Böse spürte, dass es in Gefahr war, und zwar auf eine Art, gegen die es sich nicht wie sonst mit Bissen und Hieben zur Wehr setzen konnte. Lena verwandelte sich teilweise in eine Werwölfin und sofort wieder zurück, das Knacken und Knirschen der sich verformenden Knochen hörte nicht mehr auf. Und sie schrie!
Noch niemals hatte Eric einen Menschen derart schreien hören. Es könnte keinen Laut geben, in dem mehr Verzweiflung, mehr Bitte um Gnade und Hilfe gelegen hätte als in diesem; unwillkürlich machte er einen Schritt auf Lena zu, wollte sie berühren und ihr zeigen, dass er bei ihr war.
»Nicht!«, befahl Faustitia sofort, eine Schwester stellte sich ihm in den Weg. »Bleiben Sie weg von ihr.«
Lena heulte auf, wieder spannten sich ihre Muskeln – vergebens. Die Ketten hielten sie gnadenlos fest, die Halterungen an ihren Knöcheln rieben ihr die Haut vom Fleisch. Ihr Blut rann in die Laken, sie weinte und schrie, schüttelte den Kopf und jaulte wie ein Tier. Lange Haare schossen in Sekundenbruchteilen aus ihrer rauen, aufgesprungenen Haut, um im selben Moment zu verkohlen und abzufallen.
Abrupt erlosch das rote Leuchten ihrer Augen.
Mit einem verebbenden Grollen fiel Lenas Kopf zurück aufs zerrissene Kissen. Schweißperlen zitterten plötzlich auf ihrem ganzen Körper und liefen in immer breiter werdenen Bahnen in die Matratze unter ihr. Lena atmete flach und schnell.
»Sie hyperventiliert!« Eric wollte an der Schwester vorbei, aber sie presste ein Kästchen gegen seinen Körper. Im gleichen Moment bekam er einen elektrischen Schlag, der ihn auf die Knie zwang.
»Ich sagte, Sie sollen von ihr wegbleiben«, hörte er Faustitias Stimme.
»Scheiße«, keuchte er und zog sich an einem Stuhl in die Höhe. Die Schwester vor ihm betrachtete ihn mitleidslos. Er sah zu Lena, um die sich noch immer niemand kümmerte. »Tun Sie etwas, bevor sie stirbt!«
Faustitia nahm langsam den Finger vom Knopf, zog ein Instrument mit einer langen, schmalen Nadel vom Beistelltisch und näherte sich Lena. Sie stach ihr in den linken Oberschenkel, Lena stöhnte kraftlos und schloss die Augen. Zu mehr war sie nicht mehr in der Lage, diese Rosskur hatte sie zu viel Kraft gekostet.
Faustitia ließ die Nadel nicht aus den Augen. Sie wartete, während Lena immer schneller atmete und anfing zu husten. Es interessierte die Oberin nicht.
»Dank sei Gott dem Herrn«, sagte sie nach einer unendlich langen Minute. »Die Bestie ist gewichen!« Sie zog die Nadel aus dem Bein, Blut sickerte hervor. »Rasch, bringt sie in Abteilung zwei«, wies sie die Schwestern an. Plötzlich bewegten sich alle, es ging sehr schnell. Danach wandte sich Faustitia an Eric und hielt die blutige Nadel hoch. »Geweihtes Silber. Der letzte Test, ehe wir die nachfolgende Behandlung beginnen. Gelegentlich kam es vor, dass die Bestie vortäuschte, gewichen zu sein«, erklärte sie. »Ihre Freundin ist hart im Nehmen. Sie wird drei Tage im Fieber liegen, das Sanctum spült die letzten Reste des Bösen aus ihr. Sie kann es schaffen, auch wenn ihr Herz sehr unregelmäßig geschlagen hat.«
Eric wusste nicht, ob er
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