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Sanctum

Sanctum

Titel: Sanctum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
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vollbrachten. Roscolio war von den Bewohnern des Trastevere zwar durchaus gefürchtet, vor allen Dingen aber als Schutzheiliger geachtet worden. Und doch hatte das Sanctum ihn verbrannt. Florence war als Bestie geboren worden – was würde die heilige Substanz ihr antun?
    Schritte näherten sich ihm von der Seite, dann stand Sarai neben ihm. Sie trug ein bodenlanges weites Kleid in hellem Braun, das sehr gut zu ihrem schwarzen Haarzopf passte. Die ersten Sonnenstrahlen hatten die Sommersprossen auf ihrer Nase stärker hervorgehoben, die blauen Augen schauten ungeduldig. »Gibt es Neuigkeiten, Monsieur?«, fragte sie ihn wie jeden Morgen.
    »Nein«, antwortete er wie jeden Morgen. »Wir müssen Geduld haben.« Er hob den Kopf und schenkte ihr eines seiner seltenen Lächeln. »Was machen die Seraphim?«
    »Sie sind in bester Verfassung, auch die Novizinnen machen enorme Fortschritte. Die Schwestern kommen gut voran. Sie werden ihre Aufgabe an den Fürstenhöfen sicherlich hervorragend erfüllen.« Sarai setzte sich neben ihn und schaute zum Kreuz. »Monsieur, wir haben nichts zu tun, und das obwohl die Stadt von Feinden wimmelt. Und neue Morde sind geschehen.«
    »Wir bleiben vorerst beim Beobachten«, wies Jean sie an. »Der Rumäne hat gesagt, dass neue Mitglieder des Ordens auf dem Weg nach Rom sein könnten. Wir lassen die Verstecke, die er uns genannt hat, nicht aus den Augen. Sobald sich dort etwas tut, werden wir es erfahren. Im besten Fall rotten sich der Orden des Lycáon und die Jesuiten im Kampf um die Bestie gegenseitig aus.«
    »Das wird wohl nicht geschehen, Monsieur.«
    »Leider.« Er dachte an die Nachrichten und Gerüchte der letzten Wochen, die von den seltsamen Vorkommnissen in Rom berichtet hatten. Die Seraphim und er wussten, was sich hinter dem großen, merkwürdigen Hund verbarg, der nachts in den Straßen gesehen wurde, und wo die Verbindung zu ihm und den verstümmelten Leichen lag. Alle wiesen die Handschrift des Comtes auf. Er wollte den Panter herausfordern, indem er im fremden Territorium wilderte – ohne zu wissen, dass Roscolio lange tot und begraben war.
    Oder … war ich es?
    Jeans Albträume hatten nicht aufgehört, und mehr als einmal sah er sich als Bestie durch die Straßen rennen und Menschen zerfetzen. Die Bilder waren furchtbar real …
    »Mich wundert, dass es noch keinem gelungen ist, ihn zu fangen.« Sarai blickte ihren Mentor an. Jean zuckte ertappt zusammen, nickte rasch und tat so, als wäre er auf das Holz konzentriert, aus dem sich die Formen eines Vogels schälten.
    »Ich hätte angenommen, dass der Legatus über die Mittel verfügt, eine unauffällige Treibjagd zu veranstalten«, fuhr Sarai fort. »Er kennt sich bestens in der Stadt aus.«
    »Der Comte ist es gewohnt, seinen Häschern zu entkommen. Und denk an die Katakomben, Sarai. Ich habe eine Zeit lang benötigt, bis ich auf die Lösung gekommen bin. Für Morangiès ist Rom kein unbekannter Ort, und in seiner Bestiengestalt ist sein Geruchsempfinden tausendmal feiner als das eines Menschen. Er wittert wie ein Wolf, und damit ist es ihm ein Leichtes, sich perfekt in den unterirdischen Gänge zurechtzufinden und seine Verfolger abzuschütteln.« Jean schnitzte weiter. »Schlimmer noch. Jeder, der versucht, ihn dort zu stellen, wird sterben. Aus diesem Grund ist Rom für den Comte ein sicheres Pflaster. Sicherer als das Gevaudan. Wie soll man ihn aus so einem Bau treiben?«
    Sie presste die Lippen zusammen. »Ihr habt Recht, Monsieur. Aber …« Sarai senkte den Kopf, der schwarze Schopf hing geschwungen an ihrem Hals entlang bis auf die Brust. »Es ist unbefriedigend, untätig herumzusitzen.«
    »Wir sind nicht untätig. Wir warten, Sarai. Und wir beobachten.« Jean tauschte sein Schnitzmesser gegen den Silberdolch aus und schabte damit die Rinde vom Stock. »Du sagtest, die Novizinnen kämen gut voran?«
    »Seit sie vom Sanctum gekostet haben, sind sie vom Heiligen Geist beseelt.« Die Seraph lächelte. »Die Lehrer können mit der Geschwindigkeit bald nicht mehr mithalten, die sie an den Tag legen. Sie lesen und lernen auch nach dem Unterricht, hören sich gegenseitig bei den Fremdsprachen ab. Sie haben verstanden, was von ihnen erwartet wird.«
    Tatsächlich hatte die Verabreichung des Sanctums den Novizinnen nicht geschadet und erst recht keine von ihnen umgebracht, so wie Gregoria es in der dunklen Stunde nach Roscolios entsetzlichem Tod befürchtet hatte. Was genau es in ihnen bewirkt und welche Visionen es

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