Sanft will ich dich töten: Thriller (German Edition)
verrieten, dass sie nicht daran glaubte. Genauso wenig wie Jenna.
»Wir wollen die Hoffnung noch nicht aufgeben.«
»Das tue ich nicht. Wenn es auch schwer fällt. Und du solltest dich auf einiges gefasst machen. Diese Reporterin von KBST, Brenda Ward, hat mich schon angerufen. Zwei Mal. Und jemand vom Banner , wo Roxie Olmstead gearbeitet hat. Sie haben mir mehrere Nachrichten hinterlassen. Diese Leute sind Kannibalen, glaub mir. Eine Kollegin von ihnen ist verschwunden, und sie wollen eine Story daraus machen.« Sie schnäuzte sich und fügte aufgewühlt hinzu: »Aber versuch mal, sie zu überreden, dass sie einen Artikel von allgemeinem Interesse über die Renovierung des Theaters schreiben! Dann wirst du sehen, was passiert. Nichts, das sage ich dir! Heutzutage wollen sie nur noch Mord, Skandal, Blut und Sex!«
»Ich schätze, die Presse wird sich jetzt sehr intensiv mit dem Theater befassen.«
»Allerdings. Aber nur negativ. Genau das, was uns jetzt noch gefehlt hat. Und Lynnetta … Ich muss immerzu an sie denken, an gestern Abend … Oh, Jenna, was geht hier bloß vor?«
Nichts Gutes. »Ich weiß es nicht.«
»Ich muss jetzt Schluss machen«, sagte Rinda. »Und Scott warnen.«
»Warnen?«
»Ja. Er weiß noch nichts von Lynnetta, und sie waren ziemlich eng befreundet. Er ist gestern Abend zu einem Konzert nach Portland gefahren, das zunächst wegen des Wetters ausfallen sollte. Es fand dann aber doch statt. Wie auch immer, er hat keine Ahnung, dass Shane auf dem Kriegspfad ist. Herr im Himmel, das macht mich so wütend! Dass er auch nur daran denkt, Scott könnte etwas wissen. Shane Carter ist Scotts Patenonkel, und trotzdem traut er ihm nicht.«
»Das bringt sein Beruf mit sich. Im Augenblick darf er niemandem trauen«, beschwichtigte Jenna, insgeheim leicht verärgert darüber, dass sie nun den Mann verteidigte, den Rinda monatelang in den Himmel gehoben hatte und jetzt beschimpfte.
»O nein!« Rinda schnappte nach Luft.
»Was?«
»Schalte mal schnell den Fernseher ein. Auf KBST.«
Den Telefonhörer am Ohr, griff Jenna mit der freien Hand nach der Fernbedienung und schaltete den Sender ein, den Rinda ihr genannt hatte. Auf dem Bildschirm stand eine Reporterin im hohen Schnee vor dem Theater. Streifenwagen und ein paar Uniformierte waren zu sehen, außerdem ein Plakat, das auf den Karten-Vorverkauf für Ist das Leben nicht schön? hinwies.
Rinda stöhnte auf.
»Du wolltest doch Reklame.«
»Jetzt wird niemand mehr zu unserer Aufführung kommen.«
»Das kannst du doch nicht wissen – bis zur Premiere dauert es ja noch ein paar Wochen«, widersprach Jenna und fragte sich insgeheim, warum sie eigentlich versuchte, ihre Freundin aufzumuntern. Rinda hatte Recht, sie steckten in einer furchtbaren Misere. Die arme Lynnetta.
»Das hier ist nicht die richtige Art von Reklame.«
»Mein Agent hat immer behauptet, jede Art von Werbung sei gut«, versetzte Jenna in der Hoffnung, das Gespräch aufzulockern, doch Rinda ließ sich nicht trösten.
»Ach herrje.«
»Was?«
»Ein Polizeiauto auf meiner Zufahrt. Officer Twinkle vermutlich.«
»Wer?«
»Ein alter Witz. Und zwar ein schlechter. Vergiss es.« Sie seufzte, als trüge sie die Last der Welt auf ihren Schultern. »Ich fürchte, das nimmt nie ein Ende.«
»Vielleicht finden sie Lynnetta ja doch noch.«
»Hoffen wir’s.« Damit beendete Rinda das Gespräch.
Jenna verfolgte die Vorgänge auf dem Bildschirm. Sie fühlte sich innerlich hohl, als die Reporterin, Brenda Ward, eine kecke kleine Rothaarige mit blauem Parka und Handschuhen, in das Schneegestöber blinzelte und über die Entführung von Lynnetta Swaggart berichtete. Davon ausgehend kam sie auf die anderen verschwundenen Frauen zu sprechen, und Jenna hatte das Gefühl, als lägen ihr Steine im Magen. Es folgten der Wetterbericht und der Hinweis, dass die Schulen noch immer geschlossen blieben. Jenna nahm kaum etwas davon wahr, da sie in Gedanken bei Lynnetta war. Schließlich schaltete sie den Fernseher aus.
Sie verbrachten den Tag im Haus. Beide Mädchen waren zu Tode gelangweilt, auch wenn sie sich nicht beklagten, und beide hatten keinerlei Interesse daran, a) frühzeitig Weihnachtsplätzchen zu backen, b) sich weiter der weihnachtlichen Innendekoration zu widmen oder c) Karten oder sonst etwas zu spielen. Beide wollten lieber allein sein.
Cassie telefonierte, schickte E-Mails oder sah sich Seifenopern im Fernsehen an. Allie pflügte an Jakes Seite einen frischen Weg durch den
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