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Sara Linton 01 - Tote Augen

Sara Linton 01 - Tote Augen

Titel: Sara Linton 01 - Tote Augen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Slaughter
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sechs große Flaschen Aspirin, alle noch in Originalverpackung. Die Marke war eine andere als die, die Faith in Jackie Zabels Schlafzimmer gefunden hatte, aber sie fand es merkwürdig, dass beide Frauen so viel Aspirin nahmen.
    Noch ein Detail, das einfach keinen Sinn ergab.
    Faith erledigte einige Anrufe, während sie die Küchenschränke durchsuchte. So leise es ging, forderte sie eine Hintergrundüberprüfung von Michael Tanner an, nur um ihn mit Sicherheit aus dem Kreis der Verdächtigen auszuschließen. Ihr nächster Anruf ging an die Atlanta Police, sie bat um einige Streifenbeamte zur Überprüfung der Nachbarschaft. Sie hatte eine Verbindungsüberprüfung von Olivia Tanners Festnetzanschluss zu Hause angeordnet, aber das Handy der Frau lief wahrscheinlich über die Bank. Wenn sie großes Glück hatten, fanden sie irgendwo ein Blackberry, sodass sie ihre E-Mail lesen konnten. Vielleicht hatte Olivia Tanner irgendjemanden in ihrem Leben, von dem ihr Bruder nichts wusste. Faith schüttelte den Kopf über ihre Vermutung. Das Haus war ein Ausstellungsort, aber es fühlte sich nicht an, als würde jemand darin leben. Hier gab es keine Partys, keine Zusammenkünfte am Wochenende. Mit Sicherheit lebte hier kein Mann.
    Wie hatte Olivia Tanners Leben ausgesehen? Faith hatte schon früher Vermisstenfälle bearbeitet. Wollte man herausfinden, was mit den Frauen passiert war – es handelte sich für gewöhnlich um Frauen –, musste man versuchen, sich in sie hineinzuversetzen. Was waren ihre Vorlieben und Abneigungen? Wer waren ihre Freunde? Was war so schrecklich am Freun d /Eheman n / Geliebten, dass man unbedingt die Sachen packen und verschwinden musste?
    Bei Olivia gab es keine Hinweise, keine emotionalen Anker, an denen man sich orientieren konnte. Die Frau wohnte in einem Haus, in dem es nicht einmal einen bequemen Sessel gab, in den man am Ende des Tages sinken konnte. Alle Teller und Schüsseln waren ohne Kratzer und Absplitterungen, sie wirkten unbenutzt. Sogar die Kaffeetassen waren unten am Boden blitzsauber. Wie konnte Faith sich in eine Frau hineinversetzen, die in einem makellosen, weißen Kasten lebte?
    Faith kehrte zu den Küchenschränken zurück und fand auch beim zweiten Mal nichts, was nicht dorthin gehörte. Sogar was sie als Krimskramsschublade bezeichnet hätte, war ordentlich – die Schraubenzieher in einem Plastiketui, der Hammer auf einer Rolle Spagat. Faith fuhr mit dem Finger über die innere Anschlagkante des Schranks und fand weder Staub noch Schmutzpartikel. Was war das für eine Frau, die ihre Küchenschränke innen und außen wischte?
    Faith öffnete die unterste Schublade und fand dort einen großen Umschlag, wie man ihn fürs Versenden von Fotos benutzte. Sie öffnete ihn und fand einen Stapel Hochglanzfotos, die sauber aus Magazinen ausgeschnitten waren. Alle zeigten Models in unterschiedlich leichter Bekleidung, ganz gleich, ob sie Parfum oder goldene Uhren verkauften. Das waren nicht die gewöhnlichen Frauen, die in Twinset und Perlenkette fröhlich in ihren Häusern abstaubten oder hinter hinreißenden Kindern herputzten. Diese Models verkörperten Sex, Lüsternheit und vor allem Dünnheit.
    Faith hatte einige dieser knochendürren Models schon gesehen. Wie jeder andere Mensch, der an der Kasse im Lebensmittelladen wartete, blätterte auch sie in Cosmo und Vogue und Elle, doch als sie jetzt diese anorektischen Frauen sah und wusste, dass Olivia Tanner diese Bilder nicht ausgesucht hatte, weil sie sich einen neuen Lidschatten oder Lippenstift kaufen wollte, sondern weil sie diese retuschierten Skelette als erreichbares Ziel betrachtete, wurde ihr richtig übel.
    Michael Tanners Worte fielen ihr ein, über die Qualen, die seine Schwester auf sich genommen hatte, nur um dünn zu sein. Sie konnte sich einfach nicht vorstellen, warum Will so sicher war, dass Olivia versucht hatte, ihren Bruder zu schützen. Es schien so unwahrscheinlich, dass ein Mann, der seine Tochter vergewaltigte, sich auch seinen Sohn vornahm, aber Faith war zu lange Polizistin, um noch zu glauben, dass Kriminelle einem logischen Muster folgten. Trotz ihrer Teenager-Schwangerschaft war die Mitchell-Familie ziemlich normal gewesen. Es gab keine misshandelnden Alkoholiker oder sexsüchtige Onkel. Was eine massiv gestörte Kindheit anging, musste Faith sich Wills Beurteilung beugen.
    Er hatte nie irgendetwas direkt bestätigt, aber sie vermutete, dass er als Kind stark unter Misshandlungen gelitten hatte. Seine

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