Sarg-Legenden
sie nur noch als huschende und zuckende Lichtund Schattenspiele neben sich.
Bill Conolly gehörte nicht zu den Menschen, die so schnell aufgaben. An Leib und Seele hatte er keinen Schaden genommen, und es dauerte nicht lange, da war er bereit, sich den unheimlichen Vorgängen wieder zu stellen. Zudem dachte er an Harry Doyle, von dem er in den vergangenen Minuten nichts mehr gehört und gesehen hatte.
Bill raffte sich auf die Knie und drehte sich herum. Sehr schwerfällig, und er merkte erst jetzt, daß er seine Beretta noch in den Händen hielt.
Der Friedhof lag jetzt vor ihm.
Eine andere Welt. Eine helle, strahlende, in der er tatsächlich auch Gestalten sah. Der Fotograf hatte ihm von den Geistern der Toten berichtet, und jetzt sah Bill sie mit eigenen Augen. Sie tanzten und zirkulierten durch das grelle Licht. Sie waren nicht zu fassen, nicht einmal zu beschreiben, denn sie bestanden aus wolkigen Personen oder Wesen, die mehr feinstofflich waren.
Und dazwischen sah er Harry Doyle!
Der Fotograf kniete. Er hatte seine Hände in die Höhe gestreckt, als wollte er die Wesen aus dem Jenseits anflehen, ihm nichts anzutun.
Der Vampir oder wer immer auch in dem Sarg gelegen haben mochte, stand jetzt außerhalb auf seinen eigenen Beinen. Er hielt den Stab in der Hand, der schon einmal in seiner Brust gesteckt hatte. Und er näherte sich damit dem Rücken des Fotografen.
Bill Conolly wußte, was passieren würde. Er raffte sich auf. Er stand auf der Stelle und schwankte. Die Waffe mußte er mit beiden Händen festhalten, um einigermaßen zielen zu können.
»Neiinnn!« brüllte er.
Der Vampir hörte nicht.
Er wollte Harrys Tod und hob bereits die vorn blutige Stange an, um den Mann zu töten.
Schüsse peitschten durch die Nacht!
Bill hatte nicht einmal, sondern dreiviermal abgedrückt. Er sah, wie der Vampir zu tanzen begann, als ihn die Einschläge erwischten. Das geweihte Silber tat seine Pflicht. Trotz des schützenden Lichts hielt sich die gräßliche Gestalt nicht mehr auf den Beinen. Sie drehte sich schlenkernd, bevor sie zusammenbrach.
Beinahe wäre sie in das eigene Grab gestürzt. Im letzten Augenblick fing sie sich ab, fiel trotzdem zu Boden und stieß mit dem Kopf gegen die Totenkiste.
»Harry!«
Doyle schrak zusammen, als er den Ruf hörte. Er drehte sich, und Bill wußte nicht, ob der Kollege ihn überhaupt sah. Er winkte trotzdem gegen das Licht und die tanzenden Geister, und er hörte plötzlich ein Geräusch hinter seinem Rücken.
Da war jemand.
Mit der Waffe in den Händen fuhr Bill herum.
Der erste Schlag traf seine Arme. Die Beretta rutschte ihm zwischen den Fingern hervor. Der zweite Hieb war auf seinen Kopf gezielt. Bill glaubte, daß ihm der Schädel im nächsten Augenblick zerspringen würde. Er sah noch die Blitze und zwischen ihnen die verzerrten und bleichen Gesichter irgendwelcher Menschen. Er glaubte sogar, einige von ihnen aus Trimball zu kennen.
Zu einem weiteren Gedanken kam der Reporter nicht. Auf der Stelle brach er zusammen…
***
Suko hatte es sich natürlich nicht nehmen lassen, mit mir zu fahren. Darüber war ich nicht eben unzufrieden, denn ich wußte nicht, was mich in diesem kleinen Ort in Wales erwartete. Oft entpuppten sich diese verschlafenen und weltabgeschiedenen Nester als richtige Höllen. Das hatte ich schon mehr als einmal erlebt.
So waren wir schon sehr früh am Morgen gestartet und hatten noch von Sheila die Nachricht mitbekommen, daß sich Bill leider nicht gemeldet hatte. Sie wußte selbst, daß es ein Problem war, aber wir sprachen nicht weiter darüber und hofften, daß alles glattging.
Wir mußten in Richtung Westen fahren und uns dabei etwas nördlich halten.
Als wir die aufgehende Sonne im Rückspiegel sahen, befanden wir uns schon längst auf der M 40, die uns bis kurz vor Oxford führte. Von dort aus ging es dann auf der A 44 weiter in Richtung Hereford. Eine Provinz, die durch ihre Rinder in aller Welt bekannt geworden ist.
Dort wechselten wir uns mit der Fahrerei ab und rollten hinein nach Wales. In ein relativ menschenleeres, leicht bergiges, grünes und an sich wunderschönes Land, das ebenso wie seine Bewohner eine gewisse Eigenständigkeit bewahrt hatte.
Ich lenkte den Wagen jetzt, während Suko neben mir saß, ein Schläfchen hielt und die Karte dabei ausgebreitet auf den Knien hatte liegen lassen.
Wir waren sehr schnell gefahren, was der normale Verkehr glücklicherweise zugelassen hatte. Auch das Wetter kam uns entgegen. Vom
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