Satori - Winslow, D: Satori - Satori
ihm für Notfälle gegeben hatte. Als der Amerikaner abnahm, sagte Nikolai: »Im Garten liegen zwei Leichen. Ich nehme an, Sie werden die wegschaffen wollen.«
»Bleiben Sie im Haus. Ich schicke sofort ein Aufräumkommando.«
Nikolai legte auf. Solange stand im Türrahmen und sah ihn an. Sie trug einen schlichten weißen Morgenrock aus Seide, zusammengehalten von einer Schleife, die förmlich danach flehte, gelöst zu werden, und umklammerte ein Küchenmesser, die Hand auf der Höhe ihres Oberschenkels. Ihre grünen Augen funkelten. »Alles in Ordnung?«
»Mir geht’s gut. Vielleicht ein bisschen mehr außer Atem, als mir lieb ist.« Er wunderte sich über seine Emotionslosigkeit, gelangte aber zu der Ansicht, der Adrenalinschub sei noch nicht wieder verebbt und verdecke seine Gefühle bezüglich seines knappen Entrinnens und dem Mord an zwei Männern.
Nikolai blickte auf das Messer und fragte: »Wolltest du das benutzen?«
»Wenn es nötig gewesen wäre«, antwortete sie. »Sind sie tot?«
»Ja.«
»Bist du sicher?«
»Ziemlich sicher.«
Solange ging in die Küche und kam mit zwei gedrungenen Gläsern Whiskey zurück. »Ich weiß nicht, wie es dir geht, aber ich brauche einen.«
Nikolai nahm das Glas und kippte den Whiskey in einem Zug hinunter. Vielleicht empfinde ich doch mehr, als ich dachte.
»Du zitterst ein bisschen«, sagte sie.
»Auch wenn es vielleicht nicht so aussieht«, entgegnete Nikolai, »ich bin kein geübter Killer.«
Es war die Wahrheit. Er hatte Kishikawa-san aus Liebe getötet – etwas, das Menschen mit westlichem Verstand nur schwer begreifen konnten. Aber dieser Gnadenakt hatte ihn keinesfalls unempfindlich gegenüber dem professionellen Töten zweier Menschen gemacht, die ihn zwar zuerst hatten umbringen wollen, aber trotz allem menschliche Wesen waren. Als das Adrenalin wich, spürte er eine seltsame, widersprüchliche Mischung aus Erleichterung und Reue.
Solange nickte verständnisvoll.
Der »Aufräumtrupp« traf ein, bevor Nikolai und Solange ihr zweites Glas geleert hatten. Haverford kam durch die Küchentür herein, untypisch für ihn in Jeans und einem Hemd, das über der Hose hing. »Mein Gott, alles okay?«
»Mir geht’s gut«, antwortete Nikolai.
»Was zum Teufel ist passiert?«, fragte Haverford.
Nikolai erzählte ihm von dem Anschlag, ließ die Details seines Gegenangriffs jedoch aus und erklärte nur, es täte ihm leid, den zweiten Mann ebenfalls getötet zu haben.
Er hörte das Team draußen leise arbeiten, die Leichen beseitigen, das Blut aufwischen, den Kies wieder tadellos herrichten. Als wäre nichts passiert.
Der Teamleiter kam herein, flüsterte Haverford etwas zu und ging.
»Das waren Japaner«, sagte Haverford.
Nikolai schüttelte den Kopf. »Chinesen oder zumindest im Dienst der Chinesen.«
Haverford sah ihn neugierig an.
»Japaner würden kein Beil benutzen«, erklärte Nikolai. »Chinesen schon, ein spezielles chinesisches Beil. Außerdem wäre kein japanischer Kämpfer so ohne weiteres auf ›Der wütende Mönch streicht die Wand‹ reingefallen. In China will jemand mich – oder Michel Guibert – tot sehen.«
»Ich kümmere mich darum«, erwiderte Haverford. »Und ich werde die Sicherheitsmaßnahmen hier verstärken.«
»Tun Sie’s nicht«, sagte Nikolai. »Sicherheitsvorkehrungen erregen nur Aufmerksamkeit. Die interessante Frage ist vielmehr: Woher wussten die, wo ich bin?«
Haverford runzelte die Stirn, und Nikolai freute sich über sein Unbehagen, ein willkommener Riss in der sonst so zuversichtlichen Fassade des Amerikaners – der Anblick war es beinahe wert, dem Tod so knapp entronnen zu sein. Der Agent sagte: »Wir sollten Sie wohl von hier wegbringen.«
»Bitte nicht«, entgegnete Nikolai. »Es ist schön hier und die Gefahr ist wirklich nicht sehr groß. Wären die Angreifer Japaner gewesen, würden sie es immer wieder versuchen, bis sie Erfolg hätten. Aber die Chinesen denken anders, sie verfolgen eine gescheiterte Strategie kein zweites Mal. Ich bin sicher, bis ich diesen Ort verlasse.«
Haverford nickte. »Dürfte ich wohl auch einen Scotch haben?«
Nachdem Haverford und sein Aufräumtrupp abgezogen waren, gingen Nikolai und Solange zu Bett, aber sie liebten sich nicht. Nach den Ereignissen des Abends stand keinem von beiden der Sinn nach Sex. Sie lagen lange schweigend nebeneinander, bis Nikolai sagte: »Es tut mir sehr leid. Bitte nimm meine Entschuldigung an.«
»Wofür?«
»Dafür, dass ich in deinem Haus
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