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Satori - Winslow, D: Satori - Satori

Titel: Satori - Winslow, D: Satori - Satori Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Don Winslow
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hatte sich schon bald an den Beruf ihrer Mutter gewöhnt und dabei die traurige Lektion gelernt, dass vormals Unerträgliches mit der Zeit oft alltäglich wird. Sie und Mama pflegten ein höfliches, wenn auch emotional distanziertes Verhältnis zueinander, und Marie verspürte schließlich sogar so etwas wie Erleichterung darüber, dass sie ihre Tätigkeit nicht mehr verbergen musste. Von Zeit zu Zeit besuchte Solange sogar Madame Sette’s, das Etablissement, in dem ihre Mutter arbeitete, um ihr eine Mahlzeit zu bringen, einen vergessenen Lippenstift hinterherzutragen oder einen anderen Botengang für sie zu erledigen. Die Mädchen dort nannten sie liebevoll Mademoiselle Prüde, und jedes Mal, wenn Madame, die dank der deutschen Besatzer zu einer wohlhabenden Frau geworden war, sie sah, bedrängte sie Solange, sich doch zu überlegen, ob sie nicht gutes Geld verdienen wolle.
    Doch Solange lehnte beharrlich ab.
    Sie wandte sich mehr und mehr Louis zu, und obwohl dieser mit seinem Studium an der ausgezeichneten und traditionsreichen Medizinschule von Montpellier sehr viel zu tun hatte, verbrachten die beiden praktisch ihre gesamte Freizeit miteinander.
    Noch mehr beschäftigte ihn allerdings die Résistance. Jetzt, wo er Seite an Seite mit dem Faschismus lebte, kämpfte er für seine kommunistischen Ideale leidenschaftlicher denn je. Anfangs radelte er noch als Botenjunge mit verschlüsselten Nachrichten, die er in seinen Medizinbüchern versteckte, durch die Stadt, doch es dauerte nicht lange, bis den Anführern seine Intelligenz und sein Mut auffielen und man ihm größere Verantwortung übertrug.
    Mit dieser aber wuchs auch das Risiko, und Solange hatte schreckliche Angst. Sie wusste von den Folterkammern in den Kellern der Gestapo, hatte von Erschießungskommandos gehört und mied die Hinrichtungsstätten, die in der Stadt für gefangene Widerstandskämpfer errichtet worden waren. Sie flehte Louis an, vorsichtig zu sein.
    Natürlich versprach er aufzupassen, doch gleichzeitig reizte ihn die Gefahr, und so kehrte er von seinen Missionen häufig mit überschäumender joie de vivre zurück. Louis wollte leben, und dazu gehörten auch körperliche Zärtlichkeiten mit diesem wunderschönen Mädchen, das er liebte, sogar sehr liebte.
    Doch sie wies ihn ab.
    »Ich will nicht wie meine Mutter enden.«
    Eines Tages, als Solange ihrer Mutter eine Schale heiße Suppe brachte – Marie war erkältet –, saß Oberst Höger im Salon. Sein Gesicht war vom Alkohol gerötet, als er sie freudig überrascht ansah. »Arbeitest du hier?«
    »Nein.«
    »Wie schade.« Er musterte sie von oben bis unten, langsam und lüstern zeigte er unverhohlen seine Begierde. »Hast du auch einen Namen?«
    »Ja.«
    Högers Ton wurde schärfer. »Und wie lautet er?«
    »Solange.«
    »Solange«, sagte Höger und ließ sich den Klang auf der Zunge zergehen, so wie er am liebsten auch ihren Körper gekostet hätte. »Ein hübscher Name für ein hübsches Mädchen.«
    Drei Tage später näherte er sich ihr ohne Umschweife. Er hatte draußen gewartet, bis Solange den Platz überquerte, dann sprach er sie an.
    » Bonjour , Mademoiselle.«
    » Bonjour , Monsieur.«
    »Gibt es auf dem Bürgersteig etwas Interessantes zu bestaunen, Solange?«
    »Nein, Monsieur.«
    »Dann sieh mich an, bitte.«
    Sie sah zu ihm auf.
    Er entschuldigte sich für sein unhöfliches Benehmen im Bordell und unterbreitete ihr ein Angebot. »Zivilisiert«, nann te er es. Sie sollte keine Hure, sondern seine Geliebte sein. Er würde ihr eine geeignete Wohnung verschaffen, Geld für Kleidung und einige Luxusartikel zur Verfügung stellen und sie darüber hinaus angemessen – genau genommen recht großzügig – ab und zu mit Geschenken verwöhnen. Im Gegenzug würde sie … naja, sicher wusste sie, was sie im Gegenzug zu leisten hatte, er müsse gewiss nicht ins Detail gehen, nicht wahr?
    Solange gab ihm eine Ohrfeige.
    Höger war seit seiner Kindheit nicht mehr geohrfeigt worden, und er sah sich tatsächlich um, ob jemand es wohl gesehen hatte, dann fasste er sich und sagte: »Sie sind ausgesprochen unhöflich.«
    »Ganz anders als Sie – Monsieur –, die Sie gerade einem siebzehnjährigen Mädchen ein unmoralisches Angebot gemacht haben.«
    »Es steht Ihnen frei zu gehen.«
    »Bon après-midi.«
    »Bon après-midi.«
    Erst zu Hause gab Solange ihrem Entsetzen nach. Sie zitterte gute zehn Minuten lang, machte sich eine Tasse Tee und setzte sich an den Küchentisch, um sich

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