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Satori - Winslow, D: Satori - Satori

Titel: Satori - Winslow, D: Satori - Satori Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Don Winslow
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alle anderen sieht er nur, was er sehen will, und sonst nichts.
    Nikolai dagegen …
    Dommage .
    Wie schade.

21
    D as Problem, dachte Juri Woroschenin, während er einen Wodka schlürfte und aus dem Fenster auf das Gesandtschaftsviertel hinausblickte, war, dass es im »neuen« China keine Prostituierten mehr gab.
    Das war verdammt lästig.
    Das »alte« China hatte einen Mann nicht derart an der Befriedigung seiner Bedürfnisse gehindert, um es mal vorsichtig auszudrücken. In Schanghai zum Beispiel hatte es hervorragende Bordelle gegeben. Aber die Volksrepublik gab sich entsetzlich blaustrümpfig, was das Sexuelle betraf, und sämtliche Freudenmädchen waren in die Fabriken oder die Landwirtschaft versetzt worden.
    Eine verdammt schlechte Verteilung der Ressourcen und ein grober Verstoß gegen das ökonomische Prinzip der »ertragreichsten und bestmöglichen Verwendung«.
    Woroschenin hatte noch das andere Peking erlebt, die glückliche Zeit der zwanziger und dreißiger Jahre, als in den bada hutongs von Tiangiao, südlich vom Platz des Himmlischen Friedens, die »Blumen und Weiden« blühten und es in den schmalen Gässchen von Xuanwu vor Teehäusern, Opiumhöhlen, Opernhäusern und natürlich Bordellen nur so wimmelte.
    Damals konnte ein Mann abends ausgehen, gut essen und ein paar Drinks zu sich nehmen, vielleicht eine Oper besuchen und sich anschließend weniger ästhetischen Gelüsten zuwenden, manchmal mit einer der Schauspielerinnen, die er auf der Bühne erlebt hatte, oder mit einer teuren Kurtisane, die ihm erst Tee servierte und eine Arie sang, bevor sie sich an ihre eigentliche Arbeit begab.
    Er hatte sogar Spaß an den Verhandlungen mit den Madames gehabt, die es als groben Verstoß gegen die Etikette betrachtet hätten, ihre Mädchen wie Gerichte auf einer Speisekarte feilzubieten – stattdessen wurde der Kunde um eine finanzielle »Leihgabe« für den Haushalt oder eine bestimmte Reparatur gebeten. Im Haus der Goldenen Blüte oder bei Little Fengxian geschah dies stets mit äußerstem Feingefühl und Stil.
    Doch das war vor der Ankunft dieser verdammten »Erneuerer« gewesen – erst der pedantische Chiang und dann Mao –, und jetzt war Peking so entsexualisiert wie die Eunu chen, die hier einst regiert hatten. Sicher, es gab ein paar unabhängige Prostituierte, die es riskierten, auf der Straße verhaftet zu werden, aber wer sich auf die einließ, würde bessere Apotheker brauchen, als es sie derzeit in Peking gab.
    Der Einzige, der im neuen China unerlaubten Sex bekam, war der Oberpuritaner selbst, der Große Vorsitzende. Der sowjetische Geheimdienst hätte bestätigen können, dass Mao ein ganzes persönliches Bataillon an »Schauspielerinnen« von der Volksoper auf Abruf zur Verfügung stand. Das sah dem Hurensohn ähnlich, es sich gutgehen zu lassen, während alle anderen auf dem Trockenen saßen.
    Selbst gemessen an stalinistischen Vorgaben war Maos China ein Wolkenkuckucksheim von epischen Ausmaßen. Es wäre leicht gewesen zu behaupten, die Geisteskranken hätten das Kommando über die Anstalt übernommen, doch Mao war tatsächlich so verrückt wie der sprichwörtliche Hund in der Pfanne. All seine irren Verlautbarungen dienten letztlich nur ihm selbst und brachten ihm immer mehr Macht.
    Mit der »Drei-Anti-Kampagne« entledigte sich das Land zur Zeit rasch seiner bourgeoisen mittleren Führungsebene, und dank der kürzlich gestarteten »Fünf-Anti-Kampagne« (du setzt drei, ich erhöhe um zwei, dachte Woroschenin schmunzelnd) – Steuerhinterziehung, Diebstahl, Betrug, Bestechung und unerlaubte Weitergabe wirtschaftlicher Informationen – würden bald auch die meisten privaten Unternehmen aus China verschwunden sein.
    Außerdem hatte Mao den Koreakrieg zum Anlass genommen, eine wahre Hexenjagd auf »Spione« und »ausländische Agenten« zu inszenieren, die an den Roten Terror in Russland dreißig Jahre zuvor erinnerte. Nachbarn wurden aufgefordert, ihre Nachbarn auszuspionieren, Selbstmorde und Hinrichtungen waren an der Tagesordnung, und die Atmosphäre des Misstrauens, der Angst und Paranoia war fast greifbar.
    Kein Wunder, dass Onkel Joe neidisch wurde.
    Woroschenin kippte den Rest seines Wodkas hinunter und hörte Leotows unverkennbares Klopfen. Der Mann tippt an die Tür wie eine Maus, dachte Woroschenin – zaghaft und zögernd. Je länger er in diesem prüden Freiluftgefängnis herumsaß, desto stärker ging ihm sein erster Assistent auf die Nerven.
    Was soll’s,

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