Satori - Winslow, D: Satori - Satori
Schachmatt führen – und wie viel Spaß würde es ihm machen, gerade diesen König vom Brett zu fegen.
Seit zwanzig Jahren hatte Woroschenin jetzt schon mit diesem widerwärtigen Großen Vorsitzenden zu tun – musste sein maßloses Ego ertragen, seine sexuelle Gier, seine Hypochondrie und Heuchelei, seine Heimtücke, die vor nichts haltmachte, und seinen unerbittlichen Ehrgeiz –, aber schon bald würde er Maos Kopf in einem Bambuskäfig am Tor des Himmels baumeln sehen.
Sie hatten sogar schon seinen Nachfolger bestimmt – Gao Gang war der chinesische Parteichef der Mandschurei und bereit anzutreten. Er wartete nur auf seinen Einsatzbefehl, der ihm von den Regisseuren dieses Marionettentheaters in Moskau durch Woroschenin erteilt werden würde.
Wenn in den nächsten Monaten alles glatt läuft, ersetzen wir den aufsässigen Mao durch den gefügigen Gao.
Es war also keine Zeit für zusätzliche Komplikationen, schon gar nicht in Zusammenhang mit Peng. Der General war zu schlau, zu zäh und zu unabhängig. Er hatte bereits zahlreiche Angebote, sich kaufen zu lassen, ausgeschlagen. Und was hatte er jetzt mit diesem waffenschmuggelnden Froschfresser vor?
Woroschenin zog die Schreibtischschublade auf und nahm die Wodkaflasche heraus. Er hatte sich geschworen, es heute am Nachmittag bei einem Glas zu belassen, aber Peking setzte ihm wirklich zu und der Alkohol linderte seinen sexuellen Frust. Vielleicht gab es bei dem Bankett heute Abend Schauspielerinnen, vielleicht sogar Huren.
Als ob das ein Unterschied wäre.
Und als ob ernsthaft die Chance bestünde, gestand er sich ein.
Er kippte den Wodka in einem Zug hinunter, sah auf die Uhr und beschloss, dass ihm noch genug Zeit für einen Besuch bei Kang Sheng blieb, dem Leiter der chinesischen Geheimpolizei. Ein weiteres nicht gehaltenes Versprechen, dachte er traurig. Irgendwie widerstrebte es ihm, den Mann zu sehen, er verachtete sich dafür, und doch wurde er von ihm magisch angezogen.
22
K ang Sheng kleidete sich grundsätzlich schwarz.
In diesem Moment trug der Leiter der chinesischen Geheimpolizei einen schwarzen Morgenmantel und eine schwarze Pyjamahose zu schwarzen Pantoffeln, aber er war bekannt dafür, sich in gefütterten schwarzen Mänteln, schwarzen Anzügen und schwarzen Pelzmützen in der Öffentlichkeit zu zeigen. Jedem Geringeren wäre diese modische Eigenwilligkeit als konterrevolutionäre Dekadenz ausgelegt worden und hätte möglicherweise katastrophale Folgen gehabt, aber in Peking hatte niemand den Mut, eine solche Ansicht zu vertreten, geschweige denn laut zu äußern.
Kang Sheng war seit 1930 Maos wichtigster Folterknecht. Er hatte damals in Shaanxi Tausende von Maos Rivalen gefoltert, und die Überlebenden erzählten flüsternd, sie hätten in den langen Nächten in den Höhlen von Yan’an das Wehklagen seiner Opfer gehört. Was Kang Sheng über xun-ban , die Folter, nicht wusste, war noch nicht erfunden worden, wobei er nicht ruhte und ständig neue Methoden entwickelte, anderen Schmerz zuzufügen.
Tatsächlich betrieb Genosse Kang just in diesem Moment eifrig Forschungen.
Sein neues Heim in der Nähe des alten Glocken- und des Trommelturms im nördlichen Teil der Innenstadt war das ehemalige Anwesen eines kürzlich verstorbenen Kapitalisten. Es glich eher einem kleinen Palast mit daran angeschlossenen Gästehäusern, in denen nun Kangs bewaffnete Wärter lebten. Außerdem gab es Höfe, ummauerte Gärten und Kieswege. Kang hatte nichts verändert, abgesehen von einer »Höhle« aus Beton, die er weit hinten im Garten hatte bauen lassen.
Jetzt saß er in dieser Höhle in einem Sessel und genoss, mit einer Tasse Tee in der Hand, die Schreie seines jüngsten Opfers.
Sie war die Ehefrau eines ehemaligen Generals oben im Nordwesten, dem man vorgeworfen hatte, als Spion für die Kuomintang in Taiwan tätig gewesen zu sein. Diese wunderschöne junge Dame – pechschwarzes Haar, Alabasterhaut und ein Körper, dessen Anblick allein schon ein sinnlicher Genuss war – weigerte sich tapfer, den Verrat ihres Mannes zu bestätigen.
Kang war ihr für ihre Loyalität dankbar. Auf diese Weise verlängerte sie sein Vergnügen.
»Dein Mann ist ein imperialistischer Spion.«
»Nein.«
»Sag mir, was er dir gesagt hat«, verlangte Kang. »Sag mir, was er dir im Bett zuflüstert.«
»Nichts.«
Ein Klopfen an der Tür unterbrach ihn.
»Was ist?«, fragte er ungehalten.
»Ein Besucher«, lautete die Antwort. »Genosse
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