Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Satori - Winslow, D: Satori - Satori

Titel: Satori - Winslow, D: Satori - Satori Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Don Winslow
Vom Netzwerk:
dachte er, Peking macht uns alle verrückt.
    »Komm rein.«
    Leotow öffnete die Tür, streckte aber nur seinen Kopf durch den Spalt, als wollte er sichergehen, dass er auch wirklich die Erlaubnis zum Eintreten hatte. »Zeit für die Drei-Uhr-Besprechung.«
    »Ja, es ist drei Uhr.«
    Der zierliche Leotow trippelte zum Schreibtisch und blieb dort stehen, bis Woroschenin sagte: »Setz dich.«
    Das machen wir jeden Nachmittag, dachte Woroschenin. Jeden verfluchten Nachmittag steht er um drei Uhr vor meinem Schreibtisch und jeden verfluchten Nachmittag um drei Uhr sage ich ihm, dass er sich setzen soll. Kann er nicht ein einziges Mal einfach so reinkommen und seinen knochigen Arsch ohne gesonderte Aufforderung auf den Stuhl pflanzen?
    Der Lagerkoller bringt mich um, dachte er.
    Ich brauche eine Frau.
    »Also, was gibt’s heute Neues im Irrenhaus?«, fragte er.
    Leotow blinzelte und zögerte. War dies eine rhetorische Falle? Sollte er denunziert und anschließend weggesäubert werden?
    »Die Besprechung?«, half Woroschenin ihm auf die Sprünge.
    Leotow seufzte erleichtert. Er ging die üblichen Punkte durch, die Berichte der Maulwürfe in den zahllosen chinesischen Komitees, die Einschätzung des chinesischen Verteidigungsministeriums zur festgefahrenen Situation in Korea, die letzten Hinrichtungen von korrupten Funktionären und Konterrevolutionären. Zum Schluss setzte er noch hinzu: »Und in der Stadt ist ein neuer Mann aus dem Westen eingetroffen.«
    Woroschenin langweilte sich zu Tode. »Ach was. Wer?«
    »Ein Michel Guibert.«
    »Nur einer?«
    »Ja.«
    Humor überstieg Leotows Horizont. Ein fantasieloser Handlanger, wie wir sie scheinbar am Fließband hervorbringen, ähnlich wie Traktorengetriebe, dachte Woroschenin, und als Schachgegner absolut unbrauchbar – schwerfällig, einfallslos und auf ermüdende Weise durchschaubar. Vielleicht sollte ich ihn verhaften und verhören lassen, nur so zum Spaß. »Weiter.«
    »Französischer Staatsbürger. Sohn eines Waffenhändlers mit Verbindungen zur französischen KP. Der Vater hat der Résistance offenbar gute Dienste geleistet.«
    »Haben sie das hinterher nicht alle?«, fragte Woroschenin. »Das war eine rhetorische Frage, Leotow. Du musst keine korrekte Antwort darauf liefern. Ich würd’s nicht ertragen, wenn du’s versuchst. Was will dieser Guibert in Peking?«
    »Das wissen wir nicht genau«, antwortete Leotow. »Aber wir wissen, dass er heute Abend mit dem Berater von General Peng, einem gewissen Oberst Yu, speisen wird.«
    Na, das ist mal interessant, dachte Woroschenin. Ein französischer Reisender, ein Waffenhändler, der von einem hochrangigen Offizier des Verteidigungsministeriums empfangen wird. Die Chinesen wollen doch sicher keine Waffen von den Franzosen kaufen. Aber es muss sich um eine dringende Angelegenheit handeln, sonst würden sie Guibert wochenlang hinhalten, nur um die eigene Verhandlungsposition zu stärken. Sie würden ihn erst durch die Mühlen der Verwaltung jagen, bevor sie ihn zu einem so wichtigen General wie Peng vorließen, wenn sie ihm überhaupt erlauben würden, so weit vorzudringen. Dass ein hochrangiger Offizier wie Yu Guibert gleich am ersten Tag bei sich empfängt …
    »Wo findet das Dinner statt?«, fragte Woroschenin.
    »Im Bankettsaal des Beijing.«
    »Ein Bankett, ja?«
    »Offensichtlich.«
    Woroschenin starrte ihn an. »Höre ich da Ironie, Wasili?«
    »Gewiss nicht.«
    Woroschenin runzelte die Stirn, und winzige Schweißtröpfchen traten auf Leotows Oberlippe. Zufrieden sagte er: »Ruf Pengs Sekretär an und sag ihm, meine Einladung sei offenbar abhandengekommen und ich wolle wissen, um wie viel Uhr man mit meinem Erscheinen rechnet.«
    »Denken Sie, er wird …«
    »Wir zahlen ihm ja wohl genug«, gab Woroschenin barsch zurück. »Da wird er doch wohl eine Einladung zu einem lausigen Dinner rausrücken. Sag ihm, er soll ein Huhn oder eine Ente mehr abmurksen oder was zum Teufel diese Leute sonst essen.«
    »Ja, Genosse.«
    »Ach, hör auf. Verschwinde, Wasili, und sieh nach, ob die Telefone funktionieren.« Sein Blick folgte Leotow, als der aufsprang, den Raum durchquerte und langsam die Tür hinter sich schloss, als wollte er möglichst wenig Geräusche machen, um bloß keinen Anstoß zu erregen. Es war entsetzlich nervtötend.
    Ebenso wie das plötzliche Auftauchen dieses neuen Akteurs, dieses Guibert. Das Spiel befand sich an einem kritischen Punkt – der Zug eines einzigen Springers oder Bauern konnte zum

Weitere Kostenlose Bücher