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Satori - Winslow, D: Satori - Satori

Titel: Satori - Winslow, D: Satori - Satori Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Don Winslow
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Amerikaner in moralischen Fragen kaum flexibel. Zweitens hätte Hel sich ohne professionelle Hilfe und Unterstützung nicht so gut ›tarnen‹ können. Die Tarnung als Guibert – wenn es sich dabei tatsächlich um eine Tarnung handelt – ist ebenso raffiniert wie überzeugend. Da hat jemand weder Kosten noch Mühen gescheut, um Guibert in Peking zu installieren, und kein Geheimdienst der Welt würde so etwas arrangieren, nur damit ein junger Mann mit Wut im Bauch einer romantischen Vorstellung von Rache nachhängen kann.
    Wozu also dann?
    Woroschenin ging zum Fenster, hob den Vorhang an der unteren Ecke ein wenig an und spähte auf die Straße. Sie war menschenleer und ruhig, es schneite sanft.
    Er ließ den Vorhang fallen.
    Hel hatte sich in amerikanischer Obhut befunden, war hier aber als französischer Staatsangehöriger aufgetreten.
    Eine Operation der Franzosen? Wohl kaum – die Franzosen hatten sich vom Krieg noch nicht erholt und in Vietnam mehr als genug zu tun. Sie würden nichts unternehmen, was China mit in den Schlamassel hineinziehen würde.
    Gut, dann hatten die Amerikaner Hel also immer noch in der Hand, trotzdem spielte er den französischen Staatsangehörigen, wenn auch mit chinesischer Vergangenheit. Könnten die Nationalisten dahinterstecken? Hatten die Amerikaner Hel an die Nationalisten verliehen? Und wenn ja, wozu? Es ergab keinen Sinn – weshalb sollten die Nationalisten einen Mann aus dem Westen brauchen, wo ihnen doch Tausende unzufriedener Chinesen zur Verfügung standen?
    Bleiben also die Amerikaner, schloss Woroschenin.
    Man darf das Naheliegende nicht übersehen, nur weil es naheliegt.
    Hel war in den Händen der Amerikaner gewesen, und daran hatte sich nichts geändert. Eigentlich ist er ein ganz nützliches Werkzeug – er kennt sich in China aus und spricht die Sprache. Außerdem Russisch und Französisch. Genau betrachtet ist er der geborene Agent. Den hättest du selbst auch angeheuert, schade, dass Gorbatow die Gelegenheit nicht genutzt hatte, als sie sich ihm bot.
    Also angenommen, Hel arbeitet für Washington.
    Worin besteht seine Aufgabe?
    Durch seine Tarnung als Waffenhändler steht er in Kontakt mit dem Verteidigungsministerium, und er war beim Dinner mit …
    Peng.
    General Peng.
    Maos wichtigster und einziger Rivale.
    Würden die Amerikaner Hel schicken, um Peng ein Angebot zu machen? Oder hatte er es bereits angenommen? Zum ersten Mal an jenem Abend lächelte Woroschenin nicht gekünstelt, als er das gesamte Spielbrett, seinen nächsten Schachzug und dessen mögliche Folgen deutlich vor Augen sah.
    Tut mir leid, Alexandra, dachte er, dein Sohn wird unter auserlesener Folter sterben, aber so ist das nun mal, wenn man sich zur Figur im Spiel anderer machen lässt.
    Er sah auf die Uhr.
    Es war erst Mitternacht.
    Kang Sheng würde noch wach sein.

49
    Nikolai schlich sich aus dem Hotel.
    Er fuhr einfach mit dem Fahrstuhl in den Keller, plauderte ein bisschen, rauchte ein paar Zigaretten mit den Männern in der Küche und verließ das Gebäude durch den Lieferanteneingang.
    Dann ging er schnellen Schrittes in das Gesandtschaftsviertel. Die Straßen waren jetzt fast menschenleer, so spät in der Nacht hatten sich die meisten Einwohner Pekings behaglich in ihre Wohnungen zurückgezogen. In der russischen Botschaft brannte natürlich noch Licht, und Nikolai stand auf der Straßenseite gegenüber unter einer Ulme und beobachtete die Eingangstür.
    Ein Wagen fuhr vor und wartete, der Auspuff qualmte in der Kälte.
    Wenige Minuten später kam Woroschenin mit seinen treuen Wachhunden im Schlepptau heraus und stieg in den Wagen, der rasch davonfuhr.
    Glück gehabt, dachte Nikolai, denn der Zug, den er in Erwägung gezogen hatte, stellte ein ungeheures Risiko dar. Aber Otake-san hatte ihm beigebracht, dass es oft gefährlicher war, ein Risiko zu meiden, als eines einzugehen.
    Er zündete sich eine Zigarette an, schützte mit den Händen die Flamme vor dem bitterkalten Wind, stellte sich unter das Licht einer Straßenlaterne und wartete.
    Es dauerte zwanzig lange Minuten, bis Wasili Leotow genug Mut gesammelt hatte und zu ihm herauskam. Das Kinn im Kragen versteckt, die Hände in den Manteltaschen vergraben, drehte er sich mehrfach nervös um, bevor er die Straße überquerte.
    Nikolai ging langsam weiter und hielt sich dabei außerhalb der Reichweite der Abhörgeräte, mit denen das sowjetische Gebäude zweifellos übersät war. Er hörte Leotows Schritte im Schnee, als

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