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Satori - Winslow, D: Satori - Satori

Titel: Satori - Winslow, D: Satori - Satori Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Don Winslow
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ausatmete, sich entspannte und damit den leichten Schmerz vertrieb. Er streckte sich aus und ließ sich die Muskeln und Gedanken vom heißen Wasser lockern.
    Als Junge hatte er sich spontan in einen Zustand der totalen mentalen Entspannung versetzen können und in Gedanken auf einer herrlichen Bergwiese gelegen. Aber die Widrigkeiten und das Elend des Krieges hatten ihm die Ruhe geraubt, und er bedauerte diesen Verlust zutiefst, ebenso wie den Verlust seiner Freiheit und der Kontrolle über sein eigenes Leben.
    Das Beste, was er jetzt noch tun konnte, war seine Atmung zu kontrollieren und seine Gedanken zu reinigen.
    Dass dies höchstwahrscheinlich sein letzter Abend in irdischer Verstrickung sein würde, stimmte ihn nur wegen Solange traurig. Er erinnerte sich an den buddhistischen Glaubensgrundsatz, dass Leid nur durch Bindung entsteht, und erkannte, dass er sie liebte, auf eine sehr westliche, romantische Weise, und dass ihn der Gedanke schmerzte, sie zu verlassen.
    Der Gedanke, dass Diamond und seine Handlanger ihrer gerechten Strafe entgehen würden, bedrückte ihn ebenfalls, aber er tröstete sich mit der Vorstellung an die Vollkommenheit des Karmas.
    Wenn ich die Nacht überlebe, dachte er, werde ich mich rächen; wenn ich sterbe, werden sie als Maden auf einem Misthaufen wiedergeboren werden.
    Er konzentrierte sich auf sein Vorhaben.
    Schritt für Schritt ging er in Gedanken noch einmal den gesamten Abend durch. Chen würde ihn im Hotel abholen und am Theater absetzen. Er würde zu Woroschenin in die Loge gehen, sich hinsetzen und die Oper genießen. Genau im richtigen Moment – wenn die Trommeln und Gongs geschlagen wurden – würde er den Peiniger seiner Mutter mit einem einzigen, kraftvollen Schlag gegen das Herz für immer ausschalten. Anschließend würde er einfach aus dem Theater spazieren, seine Bewacher abhängen und in die Moschee flüchten.
    Plötzlich beunruhigte ihn etwas.
    Er rief sich noch einmal alles vor Augen, und dasselbe beunruhigende Gefühl stellte sich ein, aber er konnte dessen Ursprung nicht erkennen.
    Er wechselte die Paradigmen und stellte sich das Szenario als Go-Brett vor, setzte seine schwarzen Steine und spielte. Er begegnete den zu erwartenden Herausforderungen, aber ansonsten fiel ihm nichts weiter auf. Falls Woroschenin meine wahre Identität kennt und sich daran erinnert, wie er mit der Gräfin Alexandra Iwanowna umgesprungen ist, dann ist es gut möglich, dass ich in eine Falle tappe, aber das weiß ich schon und bin darauf vorbereitet.
    Da ist noch etwas anderes.
    Er wechselte wieder das Gedankenmodell und beschloss, mit den weißen Steinen gegen seine eigenen schwarzen anzutreten.
    Es war eine Offenbarung.
    Seltsamerweise stellte er fest, dass er nicht nur die Russen und die Roten Chinesen zu den weißen Steinen zählte, sondern auch die Amerikaner. In seiner Vorstellung reihte er sie als weiße Steine auf, und als er das Brett aus der gegnerischen Perspektive betrachtete, sah er es.
    Satori.

57
    Neunzig Minuten vor Operationsbeginn konnte Haverford seine Nervosität nicht mehr unterdrücken und ging im Kontrollraum auf und ab. In dreißig Minuten würden sie »verdunkeln«, das heißt sämtlichen Funk- und Telefonverkehr einstellen. Stattdessen würde man ein bisschen »Flak« aufbauen – irgendeinen Allerweltsmist senden, damit die Sowjets und die Chinesen glaubten, alles liefe ganz normal, doch in Wirklichkeit würde es keine Kommunikation zwischen Langley und dem Kontrollraum mehr geben.
    Singleton würde zu irgendeiner Veranstaltung ins Weiße Haus fahren. Diamond wollte mit ein paar Freunden auf die Jagd gehen.
    Wenn die Sache in die Hose ging, würde allein die Tokioter Abteilung dafür verantwortlich gemacht werden.
    »Mach noch einen letzten Statuscheck.«
    »Wir haben gerade …«
    »Hab ich dich gefragt, was du gerade gemacht hast?«
    Ein weiterer Kontrolldurchlauf wurde gestartet.
    Alpha Tiger: am Platz.
    Bravo Team: am Platz.
    Der Mönch: am Platz.
    Go-Spieler: am Platz.
    Papa Bär …
    Papa Bär.
    »Papa Bär ist vom Radar verschwunden.«
    »Was?«
    »Papa Bär«, sagte der nervöse junge Agent, »ist vom Radar verschwunden.«
    »Stell fest, was da los ist.«
    Hektische Anrufe in Hongkong ergaben nichts. Emile Guibert war nicht in seinem Haus in Victoria Peak, nicht in seinem Büro in der Innenstadt, nicht in seinem Club im Western. Auch nicht in der Wohnung seiner Geliebten. Einfach verschwunden.
    Durch die Überempfindlichkeit der Briten bewegten

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