Saturn
Susan sich. Nur ist er
leider immer so ernst.
Malcolm Eberly blickte konzentriert auf die
dreidimensionale Abbildung, die mitten in der Luft über
seinem Schreibtisch schwebte. Susan mutete er wie ein
kalifornischer Surfer-Typ an, doch nur vom Hals aufwärts.
Das blonde Haar hatte er nach der neuesten Mode kurz
geschnitten. Er hatte hohe Wangenknochen und ein kräftiges
Kinn. Eine fein geschwungene Nase und funkelnde blaue
Augen von der Farbe eines Gletschersees. Und ein
bezauberndes Lächeln, das er leider allzu selten zeigte.
Sie hatte sich zurückgelehnt, um ihm ihre Vorzüge zu
präsentieren: Sie war mit dem schlichten Gewand und der
Hose bekleidet, die ihm so gut gefiel, hatte das Haar in den
Naturzustand zurückversetzt und die widerspenstigen Locken
abgeschnitten. Die Verzierung an der Stirn hatte sie auch
beseitigt und trug nun gar keinen Schmuck mehr außer den
kleinen Ohrsteckern aus Asteroiden-Diamant.
Doch nichts von alledem hatte er bisher zur Kenntnis
genommen.
»Wir müssen die Kriterien der Auswahlverfahren
verschärfen«, sagte er, ohne vom Display aufzuschauen. Er
hatte eine tiefe, sonore Stimme und sprach ein amerikanisches
Englisch, das jedoch von einem kultivierten britischen Akzent
überlagert wurde.
»Schauen Sie.« Eberly betätigte die Fernbedienung, und das
Display rotierte über dem Schreibtisch, so dass Susan die
dreidimensionale Grafik anschauen konnte. Das Büro war
klein und spartanisch: Das Mobiliar bestand nur aus Eberlys
grauem Metallschreibtisch und dem harten kleinen
Plastikstuhl, auf dem Susan saß. Es hingen keine Bilder an den
Wänden. Eberlys Schreibtisch war akkurat aufgeräumt.
Sie beugte sich auf dem unbequemen, knarrenden Stuhl nach
vorn und betrachtete die Reihe der bunten Zickzacklinien,
welche die vor ihren Augen schwebende Grafik durchzogen.
Die Konfiguration war noch genau die gleiche, an die sie sich
vom Vortag erinnerte, bevor sie Feierabend gemacht hatte.
»In den zwei Wochen, die Sie bereits im Human-Resources-
Büro arbeiten«, sagte Eberly, »haben die erfolgreichen
Rekrutierungen um fast dreißig Prozent zugenommen. Sie
leisten anscheinend mehr als das ganze restliche Personal
zusammengenommen.«
Das liegt nur daran, dass ich Eindruck bei dir schinden will,
sagte sie sich. Sie hatte aber nicht den Nerv, ihm das ins
Gesicht zu sagen; sie vermochte sich lediglich ein Lächeln
abzuringen.
Er lächelte jedoch nicht, sondern sagte: »Leider handelt es
sich bei zu vielen der neuen Rekruten um verurteilte politische
Dissidenten und Unruhestifter. Wenn sie schon auf der Erde
für Unruhe gesorgt haben, dann werden sie es wahrscheinlich
auch hier tun.«
Ihr Lächeln verflog. »Aber ist denn das nicht auch ein Zweck
dieser Mission?«, fragte sie. »Wir fliegen zum Saturn, um den
Menschen eine neue Chance zu geben, damit sie ein neues
Leben anfangen können.«
»Aber es muss alles im Rahmen bleiben, Holly. Alles in
Maßen. Wir wollen hier keine notorischen Querulanten und
Aufsässigen. Dann könnten wir genauso gut noch Terroristen
ins Habitat aufnehmen.«
»Habe ich denn wirklich so schlechte Arbeit geleistet?«
Sie erwartete, dass er sie beruhigte und ihr sagte, dass sie
ihre Arbeit gut machte. Stattdessen stand Eberly auf und ging
um den Schreibtisch herum.
»Kommen Sie, wir gehen nach draußen und machen einen
kleinen Spaziergang.«
Sie sprang auf. Sie war ein kleines Stück größer als er. Von
den Schultern abwärts war Eberly schlank, geradezu dürr.
Dünne Ärmchen, eine Hühnerbrust und sogar schon ein
Bauchansatz, sagte sie sich. Er muss Sport treiben,
diagnostizierte sie. Er sitzt zu lange im Büro. Ich muss ihn
dazu motivieren, an die frische Luft oder ins Fitness-Center zu
gehen und etwas für sich zu tun.
Aber sie folgte ihm schweigend durch den Korridor, der an
den anderen Verwaltungsbüros des Habitats vorbeiführte und
durch die Tür am Ende des Gangs.
Heller Sonnenschein fiel durch die langen Fenster. Bunte
Schmetterlinge flatterten zwischen den Hyazinthen,
vielfarbigen Tulpen und blutroten Mohnblumen, die den Pfad
säumten. Sie gingen schweigend den Pfad entlang, der neben
der Ansammlung niedriger weißer Gebäude verlief und sich
den Hügel hinunterzog, auf dem das Dorf errichtet worden
war. Der gepflasterte Pfad zog sich um den See am Fuß des
Hügels herum und führte auf eine grüne Wiese. Ein Radfahrer
überholte sie, der im Freilauf das sanfte Gefälle
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