Saturn
würde. Die Aussicht gefiel
ihr zwar nicht, aber sie wollte unbedingt herausfinden, was
der Sicherheitschef über Don Diegos Tod in Erfahrung
gebracht hatte.
Nein, nicht über seinen Tod, sagte Holly sich. Über seine
Ermordung.
Manuel Gaeta fühlte sich unbehaglich ‒ was ihm in seinem
bisherigen Leben noch nicht allzu oft passiert war. Während er
den Gang entlang zu Nadia Wunderlys kleinem Büro ging,
war er nervös wie ein Teenager vor seiner ersten Verabredung.
Wie ein kleiner Junge, der zur Beichte geht.
Die Tür mit der Aufschrift PLANETENWISSENSCHAFTEN
stand weit offen. Der Bereich dahinter war ein Labyrinth aus
schulterhohen Trennwänden, zwischen denen Wissenschaftler
und ihre Assistenten konzentriert arbeiteten. Gaeta war schon
oft genug hier gewesen, um den Weg zu kennen, doch an
diesem Morgen war er so verwirrt und orientierungslos, dass
er sich durchfragen musste. Alle schienen zu wissen, wer er
war, und wiesen ihm lächelnd den richtigen Weg. Er hatte den
Eindruck, dass die Frauen besonders warmherzig lächelten.
Dafür ist jetzt keine Zeit, rief er sich zur Ordnung.
Gaeta fühlte sich irgendwie wie eine Maus im Labyrinth
eines Psychologen; schließlich erreichte er Wunderlys
winziges Büro, das im hintersten Winkel des Raums gelegen
war.
»Guten Morgen, Manny«, sagte sie und schaute kaum auf,
als er am Eingang stehen blieb.
»Hi«, sagte er so fröhlich, wie es ihm nur möglich war. »Hast
du die Ergebnisse für mich?«
Sie nickte ernst. Unaufgefordert setzte Gaeta sich auf den
wackeligen kleinen Plastikstuhl an der Seite des Schreibtischs.
Suma friadad, sagte er sich. Eine Eiseskälte hier drin.
Wunderly projizierte eine Reihe von Tabellen auf die
Trennwand, die zugleich die Rückwand des Büros bildete.
»Das sind die Frequenzen der Teilchen im hellsten Gürtel,
dem B-Ring, mit einer Größe von über zehn Zentimetern«,
sagte sie mit einer monotonen Stimme, die so emotionslos
klang wie eine Maschine. »Und hier sind die Ableitung, die
sie…«
»Ich kann es dir nicht verdenken, dass du sauer auf mich
bist«, unterbrach er sie.
Sie blinzelte langsam, geradezu feierlich mit den großen
grauen Augen.
»Ich weiß, dass du und Kris euch unterhalten habt.«
»Auch mit Holly.«
Er gestand es mit einem Achselzucken und einem schrägen
jungenhaften Lächeln ein. »Ja, auch mit Holly.«
»Und weiß Gott mit wem sonst noch.«
»Moment mal«, sagte er und hob beschwichtigend die Hand.
»Die Sache ist doch so schon schlimm genug. Da muss man sie
nicht noch unnötig aufbauschen.«
»Ich will nicht darüber sprechen«, sagte Wunderly.
»Ich möchte mich bei dir entschuldigen.«
Sie schaute ihn für einen Moment finster an. »Ich will nicht
darüber sprechen«, wiederholte sie. »Nie wieder.«
»Aber ich…«
»Nie wieder, Manny!« Ihre Augen blitzten. Er wurde sich
bewusst, dass sie es ernst meinte.
Wunderly holte tief Luft und sagte: »Unsere Beziehung ist
von nun an rein geschäftsmäßig. Du willst einen Sturzflug
durch die Ringe machen, und ich will die Ringe einer breiten
Öffentlichkeit präsentieren. Wir werden bei dieser Sache rein
beruflich zusammenarbeiten. Keine persönlichen Momente.
Verstanden?«
»Verstanden«, sagte er matt.
»Mit etwas Glück bekomme ich einen Batzen Fördergeld, um
die Ringe zu studieren, und du brichst dir den Hals.«
Gaeta grinste sie an, obwohl ihm eigentlich nicht danach
war. »Mit etwas Glück«, sagte er.
Holly ging zur Stelle im Bewässerungskanal, wo Don Diego
ermordet worden war. Als sie die Böschung hinabging, hielt
sie Ausschau nach Kananga. Er war nirgendwo zu sehen.
Er ist nicht da, sagte sie sich. Was geht hier vor?
Dann sah sie seine große, schlanke Gestalt vielleicht hundert
Meter entfernt auf der Böschung auf sie warten. Wie immer
war er ganz in Schwarz gekleidet: das Gewand, die Hose, die
Stiefel ‒ alles kohlrabenschwarz.
»Hallo«, rief sie.
Kananga kam auf sie zu.
»Das ist die Stelle, genau hier«, rief Holly. »Dort bei den
Pfirsichbäumen.«
»Sind Sie sicher«, rief Kananga zurück.
»Ich erinnere mich an jede Einzelheit.«
Er blieb eine Armlänge von ihr entfernt stehen. »Sie haben
ein ausgezeichnetes Gedächtnis.«
»Ein fotografisches«, sagte Holly und versuchte ihre
Nervosität angesichts des über ihr dräuenden Kananga zu
verbergen. Sie sah, dass die Abdrücke, die seine Stiefel im
Schmutz hinterließen, mit denen am Ort des Verbrechens
identisch
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