Saturn
die
unsere Wahlkampfhelfer durchgeführt haben.« Sie deutete auf
die Tür. »Vielleicht sehe ich auch nur zu schwarz, aber es wäre
durchaus möglich, dass Urbain Timoschenko so viele Stimmen
abnimmt, dass er morgen gewinnt.«
Eberly starrte auf die Grafik, als ob er in der Lage wäre, die
Zahlen durch schiere Willenskraft zu ändern. Er ließ sich
äußerlich nichts anmerken und versuchte den Zorn zu
verbergen, der ihn aufwühlte. Ich könnte verlieren! Und wo
wäre ich dann? Man würde mich wieder ins Gefängnis
werfen, sagte er sich erschrocken.
Er hörte kaum Morgenthaus Stimme. »Blasen Sie die Wahl
ab. Sie sind nun der stellvertretende Leiter des Habitats.
Wilmot ist ausgeschaltet. Brechen Sie die Wahl ab und
ermächtigen Sie sich selbst zur Regierungsbildung.«
»Soll ich vielleicht drei Viertel der Population gegen mich
aufbringen?«, knurrte Eberly sie an.
»In diesem Fall«, sagte Kananga, »hätten Sie doch den
perfekten Anlass, um das Kriegsrecht zu verhängen.«
»Dann hätten wir alles unter Kontrolle«, pflichtete
Morgenthau ihm bei. »Ich habe mir die Pläne für
Neuronalsonden von der Erde schicken lassen. Nach der
Verhängung des Kriegsrechts könnten wir die Störenfriede
verhaften und ihnen die Kontrollsonden implantieren. Das
war doch von Anfang an unser Ziel.«
Nur dass die Leute mich dann hassen würden, sagte Eberly
sich. Sie würden sich gegen mich verschwören. Ihr ganzes
Sinnen und Trachten wäre darauf gerichtet, mich zu stürzen.
»Nein«, sagte er. »Ich will diese Leute nicht mit Gewalt
regieren oder sie in willenlose Zombies verwandeln.«
»Sie brauchten auch gar keine neuronalen Implantate«, sagte
Kananga und richte sich zu seiner vollen Größe auf. »Ich
würde schon dafür sorgen, dass sie Ihnen gehorchen.«
Und mich von dir abhängig machen, antwortete Eberly
stumm. Ich will, dass diese Leute mich respektieren, dass sie
mir aus Bewunderung und Respekt folgen. Sie sollen mich so
lieben, wie diese Wahlkampfhelfer mich lieben.
»Nein«, wiederholte er. »Ich muss diese Wahl legal
gewinnen. Ich will, dass die Leute mich frei wählen. Sonst
würde es nichts als Unruhe und Widerstand gegen meine
Herrschaft geben.«
Morgenthau wirkte ernsthaft besorgt. »Wenn Sie die Wahl
aber verlieren? Was dann?«
»Ich werde sie nicht verlieren.«
»Wie können Sie da so sicher sein?«
»Die Veranstaltung heute Abend. Ich werde sie auf meine
Seite ziehen. Ich werde Timoschenkos Unterstützer von
Urbain auf meine Seite ziehen.«
»Und wie?«
»Das werden Sie schon sehen.«
Obwohl die Furcht ihr ständiger Begleiter war, genoss Holly
das Exil fast. Es ist wie ein Campingurlaub, sagte sie sich.
Nicht dass sie sich von ihrem ersten Leben auf der Erde an
Camping zu erinnern vermochte. Und doch fühlte sie sich
seltsam frei, losgelöst von allen Menschen und allen Pflichten.
Sie konnte tun, wozu sie gerade Lust hatte. Sie wusste, dass es
viele Freiflächen an der Oberseite des Habitats gab; zwei
ganze Dörfer waren für eine wachsende Bevölkerung
reserviert worden. Und wenn sie es überdrüssig wurde, durch
die Tunnels zu streifen, konnte sie immer zu den Gärten und
Farmen hinaufsteigen und auf dem weichen, warmen Boden
ungestört schlafen.
Soweit sie es zu sagen vermochte, wurde sie von niemandem
beobachtet und auch von niemandem verfolgt. Sie hatte aus
dem Vorratsraum der Cafeteria diesen einen Anruf an Kris
getätigt, und erwartungsgemäß hatte innerhalb weniger
Minuten ein Trupp von Kanangas Sicherheitsleuten die
Örtlichkeit gestürmt. Holly hatte sie unter der fast
geschlossenen Falltür im hinteren Bereich des Vorratsraums
beobachtet. Flachländer, sagte sie sich. Die Vorstellung liegt
ihnen völlig fern, dass jemand unter der Erde leben könnte.
Und es gibt hier unten eine Million Tunnelkilometer, sagte sie
sich. Sie würden mich auch in ein paar Jahren nicht finden.
Doch das Bewusstsein, dass Kananga Don Diego ermordet
hatte, steckte in ihrem Bewusstsein wie kalter Stahl. Und
Malcolm ist auch irgendwie darin verwickelt. Sie wusste zwar
nicht, wie und weshalb, aber sie wusste, dass sie weder
Malcolm noch sonst jemandem trauen durfte. Nun ja, Kris
kannst du schon noch trauen, sagte sie sich. Aber ich würde
Kris damit nur in Schwierigkeiten bringen. Sie haben Don
Diego ermordet, und Kananga hat versucht, mich zu töten. Ob
sie auch versuchen würden, Kris zu ermorden, wenn sie
glauben, dass sie mir hilft? Ganz
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