Saturn
Augenbraue. »Was spielt das denn für Sie
für eine Rolle? Sie werden doch mit dem Schiff abfliegen, das
die Wissenschaftler herbringt.«
»Nein, das werde ich nicht«, sagte Gaeta mit Nachdruck. Er
drehte sich zu Cardenas um und wirkte plötzlich schüchtern,
geradezu kleinlaut. »Ich meine, ich ‒ äh… ich will nicht gehen.
Ich will hier bleiben. Ein Bürger werden.«
»Und den Stuntman an den Nagel hängen?«, fragte Cardenas
offensichtlich überrascht.
Er nickte feierlich. »Es wird Zeit, dass ich Schluss damit
mache. Außerdem kann ich Wunderly bei der Erforschung der
Ringe helfen. Und vielleicht irgendwann auf der Oberfläche
von Titan landen und Urbain und den anderen
Wissenschaftlern helfen.«
Cardenas warf sich ihm an den Hals und gab ihm einen
dicken Kuss. Wilmot wollte schon die Stirn runzeln, musste
stattdessen aber lächeln.
Urbain und Wunderly saßen im Büro des Chef-
Wissenschaftlers und schauten sich die Aufzeichnung von der
Ankunft des neuen Mondes im Hauptring an. Sie sahen, wie
die hellen Eis-Partikel des Rings den Neuankömmling
umschwärmten und die dunkle unregelmäßige Form mit
glitzerndem Eis überzogen.
»Bemerkenswert«, murmelte Urbain. Diesen Begriff hatte er
bisher jedes Mal verwendet, wenn er sich das Video
angeschaut hatte. »Sie verhalten sich wie Lebewesen.«
»Sie sind Lebewesen«, sagte Wunderly. »Davon bin ich
überzeugt.«
Urbain nickte und fuhr sich automatisch übers Haar. »Das ist
ein zu großer Sprung, Nadia. Es stimmt wohl, dass die Partikel
dynamisch sind; das ist offensichtlich. Aber lebendig? Es liegt
noch viel Arbeit vor uns, bevor wir zweifelsfrei behaupten
können, dass es sich um Lebewesen handelt.«
Wunderly grinste ihn an. Er hat wir gesagt, sagte sie sich. Er
ist nun auf meiner Seite.
»Es haben sich schon viele Wissenschaftler gegen Ihre
Interpretation ausgesprochen«, sagte Urbain. »Sie wollen
einfach nicht glauben, dass die Ring-Partikel lebendig sind.«
»Dann werden wir ihnen eben stichhaltige Beweise vorlegen
müssen«, sagte Wunderly.
»Das wird dann Ihre Aufgabe sein«, sagte Urbain. »Was
mich betrifft, so werde ich mit dem Schiff zur Erde
zurückkehren, das die anderen Wissenschaftler herbringt.«
Wunderly war geschockt. »Zur Erde zurückkehren! Aber…«
»Ich habe mir das sehr gründlich überlegt«, sagte Urbain mit
erhobenem Finger. »Sie brauchen einen Mentor auf der Erde ‒
jemanden, der Ihre Beweise präsentiert und Ihre Sache
gegenüber den Skeptikern vertritt.«
»Aber ich dachte, Sie würden hier bleiben.«
»Und bei den Neuen die zweite Geige spielen?« Urbain rang
sich ein Lächeln ab, und sie erkannte den Schmerz dahinter.
»Nein, ich kehre zur Erde zurück. Es ist mir nie gelungen,
meine eigene Karriere zu befördern, aber ich glaube, dass ich
um so mehr für Sie tun kann. Für Sie und Ihre Ring-
Lebewesen werde ich sogar zum Löwen!«
Wunderly wusste nicht, was sie sagen sollte. Sie wusste aber,
dass jeder junge Wissenschaftler mit unorthodoxen neuen
Ideen einen Mentor brauchte. Selbst Darwin brauchte Huxley.
»Zumal mein Lebensmittelpunkt auf der Erde ist«, fuhr
Urbain fort. »In Paris. Vielleicht… vielleicht vermag ich sie so
zu beeindrucken, dass sie zu mir zurückkommt.«
»Ich bin sicher, dass Ihnen das gelingen wird«, sagte
Wunderly sanft.
»Dann steht mein Entschluss also fest. Ich kehre zur Erde
zurück. Sie werden die Arbeit an den Ringen leiten.«
»Ich soll sie leiten…?«
Er grinste breit. »Ich habe Sie befördert. Im Team, das von
der Erde kommt, sind nur drei Forscher, die sich für die Ringe
interessieren ‒ und sie haben gerade erst ihr Diplom gemacht.
Ich habe Sie zur Leiterin der Ringdynamik-Studien ernannt.
Die Neuen werden für Sie arbeiten.«
Wunderly musste an sich halten, um den Mann nicht zu
umarmen.
Holly setzte sich im Krankenhausbett auf. Sie krümmte die
Finger der rechten Hand und hielt die Hand vors Gesicht.
»Fast so gut wie neu«, sagte sie.
Cardenas nickte zufrieden. »Warten Sie noch ein paar Tage.
Nano-Maschinen können auch nicht zaubern.«
Gaeta saß neben Cardenas; die beiden hockten auf kleinen
Plastikstühlen fast in Tuchfühlung.
»Ich werde auch Nanos benutzen, wenn ich das nächste Mal
in die Ringe gehe«, sagte er.
»Sogar Urbain verliert die Angst vor Nanomaschinen«, sagte
Cardenas. »Er ist heute Morgen ins Labor gekommen und kein
einziges Mal zusammengezuckt!«
Alle drei lachten.
Dann wurde
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