Saturn
Jaansen. Sie wirkte besorgt. Sie
trug eins ihrer bunten Gewänder und so viel Schmuck, dass
fast das ganze Habitat Schlagseite bekam, sagte Eberly sich.
Sie schert sich einen feuchten Kehricht um die
Kleiderordnung, stellte er fest. Sie geht mit ihrer
Unabhängigkeit hausieren und lässt mich wie einen Trottel
dastehen. Aber er unterdrückte den Ausdruck des Ärgers,
während er Jaansen beobachtete.
Der Mann sieht überhaupt nicht wie ein Ingenieur aus, sagte
Eberly sich. Jaansen war einer dieser blassen, blonden
Norweger; selbst die Wimpern waren so hell, dass sie fast
unsichtbar waren. Er machte mit seinen rosigen Wangen einen
gesunden und gepflegten Eindruck, und anstelle des
Ingenieur-Overalls, den Eberly erwartet hatte, trug Jaansen ein
gestärktes altmodisches Hemd mit einem offenen Kragen und
eine schokoladenbraune Hose mit scharfen Bügelfalten. Die
einzige Konzession an seinen Berufsstand, die Eberly sah, war
das
rechteckige,
schwarze,
handtellergroße
Datenverarbeitungsgerät, das er riskant kippelig auf dem Bein
liegen hatte. Jaansen berührte es hin und wieder mit dem
Finger der linken Hand, als wolle er sich vergewissern, dass es
immer noch da war.
»Nanotechnik ist ein zweischneidiges Schwert«, sagte er
irgendwie großspurig ‒ jedenfalls kam es Eberly so vor. »Sie
ist überaus vielseitig, birgt andererseits auch große Risiken.«
»Das Problem des grauen Breis«, murmelte Morgenthau.
Jaansen nickte. Er hatte ein kantiges stoisches Gesicht. Eberly
mutmaßte, dass der Mann nur sehr wenig Phantasie hatte; er
war ein wandelndes Fachbuch, doch jenseits seiner
technischen Expertise hat er keinerlei Interessen, keinerlei
Kenntnisse und keinerlei Ambitionen. Gut!, sagte Eberly sich.
»Der graue Brei ist eine Sache«, erwiderte Jaansen.
»Nanoroboter sind auch schon darauf programmiert worden,
Proteine zu zerstören. Sie Molekül für Molekül auseinander zu
nehmen.«
»Davon habe ich schon gehört«, sagte Eberly.
»Wir bestehen aus Eiweißen. Und Nanoroboter können als
Killer programmiert werden. Dies ist eine reale Gefahr in einer
geschlossenen Ökologie, wie es dieses Habitat darstellt. Sie
könnten es in weniger als einem Tag vollständig vernichten.«
»Nein! In weniger als einem Tag?«, stieß Morgenthau
ungläubig hervor.
Jaansen hob die schmalen Schultern. »In sie umgebendem
Material vermögen sie sich binnen Sekunden zu reproduzieren
und vermehren sich schneller als Krankheitserreger. Deshalb
sind sie normalerweise auch darauf programmiert, durch
Nah-UV defunktioniert zu werden.«
»Defunktioniert?«, fragte Eberly.
»Nah-UV?«, hakte Morgenthau nach.
»Defunktioniert, deaktiviert, zerstört, gekillt, gestoppt. Nah-
ultraviolettes Licht ist weicher ‒ äh, nicht so energiereich ‒ wie
ultraviolettes Licht mit kürzerer Wellenlänge. Deshalb vermag
man mit Nah-UV Nanobots zu stoppen, ohne Menschen zu
schaden. Sie bekommen höchstens eine leichte
Sonnenbräune«, sagte er mit einem Grinsen.
Eberly legte die Finger aufeinander. »Dann ist es also
möglich, Nanomaschinen zu kontrollieren.«
»Wenn man seeehr vorsichtig ist«, erwiderte Jaansen.
»Aber die Risiken sind trotzdem beängstigend«, sagte
Morgenthau.
Jaansen zuckte erneut die Achseln. »Vielleicht. Aber
betrachten sie die EVA, die wir vor ein paar Tagen an den
Sonnenspiegeln durchführen mussten. Nanomaschinen hätten
wir einfach in die Spiegelmotoren einzuschleusen vermocht,
und sie hätten sie repariert, ohne dass jemand nach draußen
hätte gehen müssen.«
»Dann könnten sie wirklich sehr hilfreich sein«, sagte Eberly.
»Ja, sicher. Sie wären für alle Wartungsaufgaben äußerst
hilfreich«, erwiderte Jaansen. »Sie würden mir die Arbeit sehr
erleichtern. Wenn sie streng kontrolliert werden«, fügte er
hinzu, bevor einer der beiden anderen Bedenken zu äußern zu
vermochte. »Das ist das eigentliche Problem: Sie unter
Kontrolle zu halten.«
»Wäre es auch möglich, sie so gut zu kontrollieren, dass sie
nur das tun, worauf sie programmiert sind ‒ ohne dass sie
Amok laufen?«, fragte Morgenthau.
»Ja, klar. Aber man muss seeehr vorsichtig sein bei der
Programmierung. Es ist wie eins dieser alten Märchen, wo
man drei Wünsche frei hat und die Wünsche unangenehme
Nebenwirkungen haben.«
»Wir werden Dr. Kristin Cardenas mit der Leitung der
Nanotech-Gruppe beauftragen«, sagte Eberly.
Jaansens hellblonde Brauen hoben sich respektvoll um
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