Saturn
Naturlehrpfad.«
»Si. Ja, ein Naturlehrpfad. Leider von Menschenhand
geschaffen, weil die Natur ein Fremder an diesem Ort ist.«
»Wieso haben Sie sich überhaupt für diese Mission
gemeldet?«, fragte Cardenas.
Don Diego zog ein kariertes Taschentuch aus der
Hemdtasche und wischte sich die Stirn ab. »Natürlich, um
beim Aufbau einer neuen Welt mitzuhelfen. Und vielleicht all
diejenigen zu unterrichten, die ein Interesse an Geschichte
haben ‒ falls man mir das gestattet.«
»Die Lehrtätigkeit hat Ihnen gefallen?«
»Ich war Professor für lateinamerikanische Geschichte an der
Universität von Mexiko, bis ich gegen meinen Willen
emeritierte.«
»Wie alt sind Sie eigentlich«, fragte Holly spontan.
Er musterte sie für einen Moment und lächelte dann. »Sie
haben noch nicht allzu viele alte Leute wie mich gesehen, nicht
wahr?«
Holly schüttelte den Kopf.
»Ich zähle siebenundneunzig Lenze. In vier Monaten werden
es achtundneunzig.«
»Sie könnten sich doch einer Verjüngungs-Behandlung
unterziehen …«, sagte Cardenas.
»Nein«, erwiderte er leutselig. »Das ist nichts für mich. Ich
möchte in Würde alt werden, aber ich will den Tod auch nicht
bis in alle Ewigkeit hinausschieben.«
»Sie wollen sterben?«, platzte Holly heraus.
»Nicht unbedingt. Ich achte schon auf meine Gesundheit. Ich
habe mir Injektionen verabreichen lassen, um dritte Zähne zu
züchten. Und weitere Injektionen, um die Knorpel in den
Gelenken zu regenerieren.«
»Sie unterziehen sich Ihrer Verjüngungs-Behandlung also
Schritt für Schritt, anstatt alles auf einmal machen zu lassen«,
sagte Cardenas mit einem Lächeln.
Er dachte einen Moment lang darüber nach. »Vielleicht«,
sagte er dann. »Es wäre nicht das erste Mal, dass ich mich zum
Narren gemacht habe.«
»Weiß die Instandhaltungs-Abteilung eigentlich, was Sie hier
tun?«, fragte Holly.
Zum ersten Mal wirkte Don Diego ängstlich. »Äh… noch
nicht«, sagte er zögernd.
»Ich habe die Wasserströmung im Kanal nicht gestört«, fügte
er hinzu, bevor Holly noch etwas zu sagen vermochte. »Falls
ich überhaupt etwas verändert habe, so glaube ich, dass ich
diesen Bereich schöner, natürlicher und lauschiger gestaltet
habe.«
Cardenas schaute auf das Ensemble von Büschen und
Steinen, dann über die Kante der Böschung zu den geraden
Reihen der Obstbäume. Schließlich schaute sie wieder in die
rot geränderten Augen des alten Manns.
»Ich stimme Ihnen zu«, sagte sie. »Sie haben den Bereich hier
verschönert.«
»Sie werden das doch nicht der Instandhaltungs-Abteilung
melden?«, fragte Don Diego.
Cardenas schaute Holly an.
»Ich werde es ihnen natürlich selbst sagen«, sagte er, »wenn
ich mit diesem Abschnitt des Kanals fertig bin.«
Holly grinste ihn an. »Nein, wir werden niemandem etwas
sagen.«
Cardenas pflichtete ihr mit einem Kopfnicken bei.
»Dürfen wir ab und zu hier vorbeischauen und Ihnen zur
Hand gehen?«, fragte Holly.
»Natürlich! Ich freue mich immer über die Gesellschaft
schöner Frauen.«
Keine drei Kilometer von ihnen entfernt folgten Malcolm
Eberly und Professor Wilmot einem mit einem Laborkittel
bekleideten technischen Manager durch eine der kleinen, hoch
automatisierten Fabriken, die die synthetischen Lebensmittel
des Habitats produzierten. In diesem Werk wurden die
Medikamente hergestellt, die die Population des Habitats zur
Gesunderhaltung brauchte sowie das tierische Eiweiß, das sie
für eine ausgewogene Ernährung benötigte. Die beiden
Männer inspizierten die Reihen der Maschinen, die die
Medikamente und Lebensmittel produzierten: Es handelte sich
um schulterhohe Edelstahl-Bottiche, die im Licht der
Deckenbeleuchtung glänzen. In der Fabrik herrschte fast
völlige Stille; das einzige Geräusch außer ihren Stimmen war
das Hintergrundsummen der Maschinen.
»…müssen verhindern, dass hier Infektionskrankheiten
ausbrechen«, sagte der Werksleiter, während er die beiden
Männer an der Reihe der Maschinen entlang führte. »In einer
geschlossenen Ökologie wie dieser könnte schon ein
Schnupfen gefährlich werden.«
Eberly wandte sich Wilmot zu, der neben ihm ging. »Dies ist
einer der Gründe, weshalb ich Dr. Cardenas' Bewerbung
akzeptiert habe. Mit ihrem Wissen in der Nanotechnik…«
»Sie hätten erst mich fragen sollen«, sagte Wilmot scharf. Er
blieb mitten auf dem Gang stehen und fixierte Eberly mit
einem strengen Blick.
Eberly hielt auch an und schaute
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