Saturn
verrückten alten Mann?«,
fragte Holly.
Cardenas ließ den Blick über die perfekte Landschaft des
Habitats schweifen: Alles war an seinem Platz, alles war so
ordentlich und sauber, dass es fast schon unmenschlich
wirkte. Es erinnerte sie an die Schaufensterauslagen, die sie in
ihrer Kindheit gesehen hatte.
»Ich glaube, wir könnten noch mehr Verrückte wie ihn
gebrauchen«, sagte sie.
»Vielleicht«, entgegnete Holly. Sie war sich da nicht so
sicher.
Sie saßen für eine Weile stumm da, jede in ihre eigenen
Gedanken versunken.
»Ich habe Ihre Bio gelesen«, sagte Holly schließlich. »Ich
hätte erwartet, dass Sie viel älter aussehen.«
Cardenas reagierte zwar nicht ungehalten, aber sie sah Holly
von der Seite an. »Wenn Sie meine Bio gelesen haben, dann
wissen Sie auch, wieso ich jünger aussehe, als ich in
Wirklichkeit bin. Und wieso ich auf Ceres gelebt habe.«
Holly ignorierte die Spannung in ihrer Stimme und fragte:
»Was glauben Sie, wie alt ich eigentlich bin?«
Nach zehn Minuten waren sie dicke Freunde: zwei Frauen,
deren Körper viel jünger waren als ihr kalendarisches Alter.
Krankenstation
Der Mann lag mit pfeifendem Atem auf der Pritsche; die
Augen waren fast zugeschwollen.
Der junge Arzt wirkte völlig ratlos. »Was ist bloß los mit
ihm?«
»Ich weiß nicht!«, sagte die Frau, die ihn eingeliefert hatte.
Sie war der Hysterie nahe. »Wir hatten draußen im Park einen
Spaziergang gemacht, und urplötzlich ist er
zusammengebrochen!«
Der Arzt beugte sich über den Patienten und fragte: »Wissen
Sie, was Ihnen zugestoßen ist?«
Der Mann versuchte zu sprechen, hustete schmerzhaft und
schüttelte dann in Verneinung der Frage den Kopf.
Beim Blick auf die Bildschirme, die die Wand der
Notaufnahme säumten, sah der Arzt, dass es sich weder um
einen Herz- noch um einen Schlaganfall handelte. Panik wallte
in ihm auf: Nicht einmal der Diagnose-Computer wusste, was
los war! Der Krankenpfleger, der an der anderen Seite der
Pritsche stand, wirkte genauso verwirrt und ängstlich, wie er
sich fühlte.
Die Oberschwester drängte sich an der Frau vorbei und
betrat den Raum. »Ziehen Sie ihm das Hemd aus«, sagte sie.
Der Arzt war zu verwirrt und besorgt, um sich mit ihr
darüber zu streiten, wer hier die Anweisungen gab. Und wenn
die Gerüchte, die in der Krankenstation kursierten, auch nur
annähernd der Wahrheit entsprachen, hatte diese resolute
Afro-Amerikanerin viele Jahre in der Friedenstruppe gedient.
Sie hatte eine Reputation, die ihm Angst machte.
Mithilfe des Krankenpflegers zogen sie dem Mann das
Hemd aus. Der Oberkörper und die Arme des Patienten waren
mit roten Quaddeln übersät. Die Haut fühlte sich heiß an.
»Insektenstiche?«, fragte der Arzt.
Die Oberschwester wandte sich der Frau zu, die sie mit
großen Augen und vorm Gesicht geballten Fäusten anstarrte.
»Im Park spazieren gegangen?«, fragte sie.
Die Frau nickte.
»Anaphylaktischer Schock«, sagte die Schwester nüchtern.
»Epinephrin.«
Der Arzt starrte sie mit offenem Mund an. »Wie soll er
denn…«
»Epinephrin! Sofort! Er ist von einer Biene gestochen
worden!«
»Epinephrin! Sofort!«, raunzte der Arzt den Pfleger an.
Die Oberschwester zog ein Vergrößerungsglas aus einem
Schlitz in der Wand des Raums, klappte die Halterung aus
und suchte den Körper des Patienten ab. Der Arzt verstand
den Wink und nahm das Vergrößerungsglas. Schon nach ein
paar Sekunden fand er den Widerhaken des Bienenstachels,
der sich direkt oberhalb des Handgelenks in den Unterarm des
Patienten gebohrt hatte. Mit einer Pinzette zog er den Stachel
vorsichtig heraus. Mein Gott, bin ich gut, sagte er sich.
Als er aufschaute, war die Oberschwester verschwunden,
und der Patient atmete schon wieder leichter.
»Ich habe noch nie einen Bienenstich gesehen«, gestand er
der Frau, die auch schon wieder viel besser aussah. »Ich hatte
meine Praxis mitten in Chicago.«
Die Frau nickte und rang sich sogar ein Lächeln ab. »Er muss
eine Allergie haben.«
»Muss er wohl«, pflichtete der Arzt ihr bei.
Der Krankenpfleger löste die ID-Marke des Patienten vom
Hemd, das sie auf den Boden geworfen hatten, und schob sie
ins Computerterminal. Der Name des Mannes, sein Beruf und
die komplette Krankengeschichte erschienen auf dem
Bildschirm. Allergien wurden nicht erwähnt, obwohl er an
Asthma Bronchiale litt. Der Arzt sah, dass der Patient in Kairo
aufgewachsen und Rechtsanwalt gewesen war, bevor
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