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Saufit: Von einem, der auszog, nie wieder krank zu werden (German Edition)

Saufit: Von einem, der auszog, nie wieder krank zu werden (German Edition)

Titel: Saufit: Von einem, der auszog, nie wieder krank zu werden (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A. J. Jacobs
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Galina.
    Vorsichtig stehe ich auf und gehe zum Spiegel. Da ist sie. Sie ragt aus meinem Kopf wie eine winzige Antenne.
    Während Galina weiter an meinem Kopf herumdrückt, gibt sie mir einen Crashkurs in Akupunkturtheorie. »Alles dreht sich um die Energiebahnen, die Meridiane«, sagt sie. »Sie verlaufen im Körper wie Straßen. Und wenn es irgendwo zu einer Blockade kommt, werden die anderen Teile des Körpers nicht mehr ausreichend mit Lebensenergie versorgt.«
    So gesehen ist Akupunktur wie ein Abschleppwagen, durch dessen Einsatz sich ein Stau auflösen lässt. Das Chi, die Energie, kann dann wieder ruhig und ungehindert durch die Meridiane fließen.
    Die Meridiane sind jeweils verschiedenen Körperregionen zugeordnet. Heute behandelt Galina den Lungenmeridian, denn der steht mit meiner schmerzenden Schulter in Verbindung.
    Sie lässt eine zweite Nadel in meine Kopfhaut gleiten und eine weitere in mein linkes Bein. Mit einem leisen boing! durchdringt sie die Haut – ein Geräusch wie im Trickfilm, wenn ein Pfeil sein Ziel erreicht.
    Direkt nach meiner Akupunktursitzung gehe ich ins Fitness-Studio, um mit Tony zu trainieren. »Wie viele Nadeln hat sie gesetzt?«, fragt er.
    »Drei«, sage ich.
    »Drei?« Er lacht. »Da hat sie dich aber abgezockt, mein Lieber. Wenn man den Preis pro Nadel ausrechnet, war das sogar eine Mega-Abzocke.«
    Tony erzählt mir, dass sein Akupunkteur 40 Nadeln setzt, Minimum. Und zwar selbst dann, wenn er im Nebenerwerb Hunde behandelt.
    Das ist sehr ärgerlich. Ich habe noch nicht mal so viele Nadeln bekommen wie ein stinknormaler Rauhaardackel. Hat Galina etwa gedacht, ich sei nicht Manns genug, mehr Nadeln zu ertragen? Ich hätte es wenigstens auf eine zweistellige Zahl bringen müssen.
    Aber jetzt kommt’s: Obwohl sie mich nur dreimal gepiekst hat, bemerke ich eine Veränderung. Meine Schulter tut nicht mehr so weh. Es ist nicht alles wieder gut. Aber die Lage hat sich eindeutig gebessert.
    Zum ersten Mal seit Monaten kann ich meine Arme in die Höhe recken, ohne dass mich ein stechender Schmerz durchfährt. Zum ersten Mal seit Monaten kann ich an der Schulterpresse wieder Hanteln verwenden, die schwerer sind als Wiener Würstchen.
    »Das gibt’s nicht«, sage ich zu Julie. »Dieses Voodoo hat funktioniert. Es hat tatsächlich funktioniert.«
    Was ist passiert?
    Um das herauszufinden, habe ich mich natürlich in Studien und Fachtexte vertieft. Hier eine Kurzfassung dessen, was die Wissenschaft zur Akupunktur zu sagen hat.
    Studien zum Thema ergeben ein frustrierend uneinheitliches Bild. Einige Untersuchungen weisen nach, dass Akupunktur wirkt, aber genauso viele beweisen das Gegenteil. Darüber hinaus zeugen die Studien auch von einer gewissen kulturell bedingten Voreingenommenheit: Chinesische Studien kommen im Allgemeinen zu akupunkturfreundlicheren Ergebnissen als amerikanische Studien.
    Ein paar Studien neueren Datums belegen, dass Akupunktur besser ist als gar keine Behandlung. Doch dasselbe gilt auch für »Scheinakupunktur«, bei der Nadeln an willkürlich ausgewählten Punkten gesetzt werden.
    Folglich gibt es für Galinas Behandlungserfolg vier Erklärungsmöglichkeiten:

Die traditionelle chinesische Medizin hat recht, und die Nadeln haben die Lebensenergien in meinen Meridianen wieder ins Gleichgewicht gebracht. Doch ich bin zu sehr westlichen Denkmustern verhaftet, um mich diesem Erklärungsmodell anschließen zu können.
Auf der Körperoberfläche gibt es tatsächlich Druckpunkte, die auf die Nadeln reagieren – aber die Wissenschaft hat noch nicht herausgefunden, wieso sich dadurch Schmerzen lindern lassen.
An so ziemlich jeder Stelle – mit Ausnahme der Augen – wirkt der Einsatz von Nadeln schmerzlindernd. Vielleicht, weil er zur Ausschüttung körpereigener Opioide führt.
Die Wirkung von Akupunktur ist nichts anderes als ein Placebo-Effekt.
    Meine Vermutung? Es ist wirklich nur eine Vermutung, aber ich tippe auf eine Kombination der Punkte 3 und 4. Wobei Punkt 4 übrigens überhaupt nicht abschätzig gemeint ist.
    Alles Placebo oder was?
    Je mehr ich über den Placebo-Effekt erfahre, desto beeindruckter bin ich. Wir sind wirklich Meister der Selbsttäuschung. Sie ist eine der herausragenden Gaben der Menschheit, ranggleich mit der Fähigkeit, zu sprechen, zu rechnen und Softeis herzustellen.
    Das Wort Placebo – es kommt aus dem Lateinischen und bedeutet »ich werde gefallen« – bezeichnet jede Form medizinischer Scheintherapie, die tatsächliche oder

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