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Savannah

Savannah

Titel: Savannah Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Lael Miller
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sehr früh am Morgen, die Luft kühl und der Himmel perlgrau. Orangerote Streifen der aufsteigenden Sonne waren am Horizont über den Wipfeln der immergrünen Bäume zu sehen. Der Waldboden, mit Nadeln und Blättern bedeckt, war weich wie ein Teppich und er hatte ein ebenso bizarres Muster. Jacob ritt neben Pres - der eine auf einem Maultier namens Nero, der andere auf einer alten Stute, die auch schon besser Tage gesehen hatte. Weiter oben in den Bergen, wo Birken und Erlen wuchsen, stieg eine kräuselnde Rauchfahne in den Himmel.
    »Dort oben lebt Granny«, erklärte Jacob. »Jetzt wissen wir wenigstens, dass sie auf den Beinen ist und sich ein Feuer angemacht hat.«
    Pres rieb sich den Nacken, aber er antwortete nicht.
    »Da gibt es eine Sache, die ich Ihnen vielleicht noch sagen sollte, bevor wir Granny Johnsons Grundstück erreichen«, meinte Jacob nachdenklich.
    »Und was wäre das?«, fragte Pres seufzend. Er war ungeduldig und mit den Nerven fertig. Vielleicht, weil seinem Körper doch der Whiskey fehlte und er sich innerlich so leer fühlte, dass er sich wie ein verrotteter Baumstamm vorkam, der von Termiten durchlöchert war, vielleicht aber auch, weil ihn die Gedanken an Savannah Rigbey quälten—wie Hamlet vom Geist seines Vaters gequält worden war. Der Puls jagte in seinen Schläfen, die jeden
    Moment zu zerspringen schienen, und sein Magen hatte sich wie ein ausgedörrter Ledersack zusammengezogen. Wäre etwas drin gewesen, hätte er es längst wieder erbrochen.
    »Könnte sein, dass Granny auf uns schießt«, meinte Jacob so trocken, als hätte er gesagt, dass die Frau es liebte, lästige Fliegen in der Hand zu zerquetschen. »Ihre Augen sind nicht mehr die Besten und bevor sie mich und den alten Nero erkennt, könnte sie verdammt ungemütlich werden.«
    Pres lachte - rau und vollkommen humorlos. »Na, das ist ja wunderbar.«
    »Kein Grund zur Sorge«, sagte Jacob beruhigend, »sie wird uns bestimmt nicht gleich erschießen.«
    In der nächsten Sekunde brachte der Schuss aus einer alten Donnerbüchse fast den Himmel zum Einstürzen. Vögel flogen empört krächzend auf, Eichhörnchen brachten sich über die Äste springend in Sicherheit und andere Kleintieie suchten Schutz im Unterholz.
    »Ihr bleibt dort, wo ihr jetzt seid!«, rief eine Frau, deren Stimme schwach und kratzig klang.
    Jacob und Pres hatten alle Hände voll zu tun, um ihre Reittiere unter Kontrolle zu halten. Nero wollte auf dem geradesten Weg nach Springwater zurücklaufen, während die alte Stute von Pres nervös zur Seite tänzelte, was vielleicht ganz lustig gewesen wäre, wenn da nicht die alte Frau mit dem Gewehr in den Händen auf dem Hügel gestanden hätte.
    »Ist ja gut, Granny«, rief Jacob versöhnlich. »Nimm deinen Schießprügel runter! Ich bin es doch, Jacob McCaffrey. Ich bringe dir einen Doktor, der sich um dein Rheuma kümmern wird.«
    Es folgte ein langes Schweigen, bevor Grannys zerbrechliche Stimme wieder erklang, die von den Waldgeräuschen untermalt wurde. Da war wieder das fröhliche Gezwitscher der Vögel und das freche Geschnatter der Eichhörnchen zu hören. »Was für eine Art Doktor?«
    Jacob schaute Pres von der Seite an, als wollte er ihn noch einmal abschätzen, um der Alten eine wahre Antwort zu geben. »Ein richtiger Arzt, der eine Medizinschule besucht hat und eine Erfahrung in seinem Beruf hinter sich hat.« Er wartete einen Moment, um seine Worte einsinken zu lassen, und trieb dann sein Maultier vorwärts. »Wir kommen jetzt, Granny«, rief er. »Wenn du mir eine Kugel verpasst, wirst du es mit Miss June zu tun bekommen. Hör also lieber mit der Ballerei auf.«
    Pres war fasziniert, als er die verhutzelte kleine Frau Sah, die ein Gewehr in den Händen hielt, das schwerer und größer zu sein schien als sie selbst. Es war so ein komischer Anblick, dass er beinahe laut gelacht hätte. Aber eben nur beinahe.
    Als er sicher war, dass sie wirklich keine Schüsse mehr abgeben würde, folgte er mit seiner Stute Jacobs Maultier einen schmalen Weg entlang, der von dichtem grünem Gras und duftenden Föhren gesä u mt war.
    Die alte Frau stand vor ihrer halb eingefallenen Hütte, deren Tür schräg in den Angeln hing. Aus der Nähe gesehen wirkte die Frau noch kleiner. Sie bestand nur aus Haut und Knochen, hatte kaum noch einen Zahn im Mund und trug ein Gewand - man konnte es kaum als Kleid bezeichnen —, das aus alten Mehlsäcken unordentlich zusammengenäht war. Ihr winziger li nker Fuß steckte in einer

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