Savannah
Stul pen-Stiefelette, der rechte in einem durchlöcherten Slipper.
»Das ist Prescott Parrish, Granny«, stellte Jacob seinen Begleiter vor. »Er ist Arzt, wie ich schon sagte. Wir hoffen, dass wir ihn lange bei uns in Springwater halten können.«
Granny betrachtete Pres von Kopf bis Fuß und fand ihn offensichtlich ganz sympathisch, denn sie hmphte dreimal und nickte dabei.
Pres unterdrückte ein Grinsen, verbeugte sich ganz leicht und sagte höflich: »Guten Morgen, Mrs. Johnson.«
Sie zog die Augen zusammen und starrte ihn an, als Wollte sie seine innersten Motive ergründen, warum sich ein studierter Doktor die Mühe machte, eine alte Frau wie sie in den Bergen aufzusuchen - aber wahrscheinlich war sie nur kurzsichtig und hätte eine Brille gebraucht. »Bist du ein Yankee?«, fragte sie misstrauisch.
Pres seufzte leise. »Nein, Ma'am, aber ich bin auch kein Konföderierter. Ich bin ein ganz normaler Amerikaner.«
Sie humpelte ein paar Schritte näher und schaute ihn unter dem breiten Rand ihrer Haube noch einmal von oben bis unten an. »Mich hat noch nie ein Doktor untersucht. Ich habe auch noch nie einen gebraucht, aber wenn Jacob McCaffrey dich zu mir bringt, musst du schon ein anständiger Kerl sein.«
Das persönliche Unbehagen, das Pres empfand, wurde von seiner angeborenen Leidenschaft für die Medizinkunst hinweggefegt. Er war Arzt aus Leidenschaft - auch wenn er das zu verleugnen versuchte. Er stieg vom Pferd und band die Zügel an einem Baumstämmchen fest, das neben einer alten, verrosteten Wasserpumpe aus der Erde wuchs, löste seine Tasche vom Sattelho rn und trat zu Granny Johnson. Er musste zu ihr aufblicken, da sie auf der Treppe stand, die zu der Hütte führte. Seine Stimme klang nun ganz sachlich und nüchtern, wie immer, wenn er einen Patienten vor sich hatte. »Haben Sie im ganzen Körper Rheuma oder nur im Fuß?« Dabei deutete er mit dem Kopf auf den Fuß mit dem durchlöcherten Slipper.
»Die ganze rechte Seite tut mir weh«, gab sie widerwillig zu. »Von der Hüfte abwärts.«
Pres nickte. »Dann wollen wir uns das mal anschauen.«
Grannys Gesicht, das so verschrumpelt wie ein Herbstapfel im Frühling war, wurde bleich. »Du meinst, du willst meine nackte Haut sehen?«
Pres schluckte, um nicht zu lachen. »Ich bin Arzt, Mrs. Johnson. Von mir haben Sie nichts zu fürchten, aber wenn ich Ihnen helfen soll, muss ich Sie Untersuchen.«
Granny blickte zu Jacob, der immer noch auf seinem Maultier saß. Auf Pres machte er den Eindruck, als sei er ein Prophet aus dem Alten Testament, ein einsamer Herold, der Gottes Zorn und das Jüngste Gericht verkündete. »Kommst du mir zur Hilfe, Jacob McCaffrey, wenn ich nach dir schreie?«, fragte die alte Frau.
In diesem Moment verzog sich Jacobs Gesicht tatsächlich zu einem richtigen Lächeln. Er schwang sich von seinem Nero und band die Zügel an dem brüchigen Treppen-Geländer fest. »Klar, Granny«, versicherte er ihr.
Mrs. Johnson überlegte immer noch hin und her. »Na gut«, brummelte sie nach einer Weile. »Komm mit ins Haus, Doktor, und ich hebe meinen Rock.«
Pres sah Jacob über die Schulter achselzuckend an, bevor er Granny in die Hütte folgte, die genau so aussah, wie er sich solche Behausungen in der Wildnis immer vorgestellt hatte. Es gab natürlich kein richtiges Bett, sondern nur einen Strohsack auf der blanken Erde - an einen Holzfußboden war gar nicht zu denken -, worauf eine einzige Decke lag, die so abgeschabt war, dass sie vollkommen farblos war. Der Ofen war so klein, dass er im Winter kaum genügend Hitze abgeben würde, um den winzigen Raum zu erwärmen. Es stank nach einem Nachttopf, der dringend geleert werden müsste, und es roch nach den typischen Ausdünstungen einer Frau in Grannys Alter.
»Wann haben Sie eigentlich zum letzten Mal etwas gegessen?«, fragte er absichtlich barsch, so, als wollte er sagen, dass sie jeden Tag alle Delikatessen dieser Welt zur Auswahl hätte, aber sich weigerte, diese auch zu verspeisen. Abgesehen von ihren Schmerzen tat sie ihm aber eigentlich nicht wirklich Leid, denn sie machte einen ganz zufriedenen Eindruck auf ihn.
»Ich esse regelmäßig«, erwiderte Granny ebenso barsch. »Miss June war kürzlich hier und hat mir Gemüse gebracht. Den Rest davon habe ich erst heute Morgen gegessen.«
»Gefällt es Ihnen eigentlich, so ganz allein hier zu leben?« Seine Stimme klang jetzt etwas freundlicher. Er hörte Jacobs Schritte auf der hölzernen Veranda und er roch den süßen
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