Saving Phoenix Die Macht der Seelen 2: Roman (German Edition)
feststellen müssen, wie unangenehm ich werden kann.«
Victor hatte anscheinend erkannt, dass es aussichtslos war, Yves weiter zu bedrängen. »Die gehören ihr.« Victor ließ das Papierbündel auf den Küchentresen fallen. »Du weißt hoffentlich, dass sie dir nicht die ganze Wahrheit sagt.«
Yves zuckte mit den Schultern und blätterte in den Seiten.
»Ich könnte sie mit meiner Gabe dazu bringen, alle Karten auf den Tisch zu legen.«
»Nein«, erwiderte Yves knapp und mit Nachdruck.
»Nein? Willst du’s denn nicht mal in Betracht ziehen?«
»Ihr ist in den letzten Jahren einfach von zu vielen Leuten übel mitgespielt worden, Vic. Wenn wir uns jetzt auch noch einreihen bei denjenigen, die sie für ihre eigenenZwecke benutzen, werden wir sie für immer verlieren. Sie hat uns so viel erzählt, wie sie konnte. Du hast es heute doch selbst gesehen – sie hat Nasenbluten und Kopfweh in Kauf genommen, um uns zu warnen.«
Victor zog sich das Sakko aus und lockerte seine Krawatte. »Ich stelle ihre guten Absichten ja auch gar nicht infrage, aber meine Antennen sagen mir, dass sie uns noch eine Menge verschweigt – Dinge, mit denen sie herausrücken könnte, wenn sie wollte. Dinge, die sie dermaßen belasten, dass sie sie verleugnet.«
»Und? Dann ist das ihre persönliche Angelegenheit und geht uns nichts an.«
»Ist das so?«
Yves’ Blick wanderte zu dem dunklen Flur. Hatte ich mich verraten? Richtig, die einzigartige Energiesignatur: Ich hatte total vergessen, dass er ein verdammter Spürhund war.
»Du schläfst noch nicht?«, fragte er lässig. Jetzt hatte er noch einen Grund, sauer zu sein: Ich hatte ihn belauscht.
Widerwillig trat ich hinaus ans Licht. Es war zwecklos zu leugnen, dass ich lange Ohren gemacht hatte. »Ich konnte nicht schlafen. Ich hab eure Diskussion einfach zu spannend gefunden. Ich meine, immerhin ging es dabei doch um mich, richtig?«
»Ja, das stimmt.« Victor setzte sich hin, vielleicht um weniger bedrohlich zu wirken, da er mich sonst überragte, aber mir entging nicht der »Hab-ich’s-dir-nicht-gesagt«-Blick, den er Yves zuwarf, um zu untermauern, dass ich seiner Ansicht nach nicht ganz koscher war. »Tutmir leid, dass du das mit angehört hast, aber ich musste meinen Standpunkt klarmachen.«
»Das ist okay. Ich sage Yves schon die ganze Zeit, dass er wegen mir bloß keinen von euch gefährden soll. Das bin ich nicht wert.«
»Ich habe nicht gesagt, dass du nicht genauso wichtig bist wie jeder andere von uns, Phoenix«, lenkte Victor ein. »Es gibt schlichtweg mehr zu bedenken als die Frage, was wir jetzt mit dir machen.«
Im Grunde machte das keinen Unterschied; es war alles eine Frage der Prioritäten und ich stand für ihn nicht an erster Stelle. »Ich verstehe das, ehrlich.«
Yves schien von uns beiden gleichermaßen irritiert zu sein: von mir, weil ich mich selbst so gering schätzte, und von Victor, weil er dermaßen beharrlich auf den hohen Stellenwert seiner Operation drang.
»Okay, Victor, morgen hast du uns vom Hals. Du wirst tun, was du tun musst, und wir machen eine Sightseeing-Tour.« Yves schob mir den Papierstapel herüber. »Unterschreib das, Phee.« Er bemerkte meinen argwöhnischen Blick und seufzte. »Das ist nur ein Reisepassantrag, mehr nicht.«
Morgen fand unser Treffen mit dem Seher statt. Wollte er seinem Bruder davon etwa nicht erzählen? »Aber Yves ...«
»Jetzt nicht, Phee; gerade bin ich ziemlich sauer und hab keine Lust auf einen weiteren Streit. Unterschreib einfach diese verdammten Papiere.«
Ich hatte nicht wegen der Papiere protestieren wollen und das wusste er. Mit zusammengekniffenen Lippensetzte ich meine Unterschrift in das entsprechende Kästchen. Wie seltsam – das war das erste Mal, dass ich etwas unterschrieb. Meine Unterschrift sah krakelig und kindlich aus; ich wünschte, ich hätte vorher ein bisschen üben können.
»Phoenix, denke bitte nicht, dass es mir egal ist, was mit dir passiert.« Victor schob die Dokumente zurück in seine Ledertasche. »Ich muss nur gerade sehr viel auf einmal unter einen Hut bringen. Wenn du meinen Bruder davon überzeugen könntest, mich ins Vertrauen zu ziehen, würde das die ganze Sache enorm erleichtern.«
Ich nickte, wissend, dass ich bei Yves nichts ausrichten würde. »Klar doch, ich arbeite dran. Ähm ... gute Nacht.«
»Ja, träum was Schönes«, sagte Victor.
Das bezweifelte ich stark. Ich bereitete mich auf eine unruhige Nacht vor, in der ich mich hin- und herwälzen würde.
Weitere Kostenlose Bücher