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Schädelrose

Schädelrose

Titel: Schädelrose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Kress
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wollen Sie sie
in Echtzeit sehen?«
    »Echtzeit«, sagte Caroline. Sie hatte den
Bildschirm vor ein paar Monaten in den Wagen einbauen lassen. Wie
derjenige in ihrer Wohnung war er darauf programmiert, die
großen Nachrichtennetze abzutasten und sie nur dann zu
benachrichtigen, wenn in einer Story Schlüsselworte oder
Schlüsselnamen vorkamen. Caroline beugte sich vor. Der
Bildschirm leuchtete zweidimensional in Farbe auf. Ein auf
heimelig getrimmtes Talkshow-Studio, das in den absoluten
Modefarben dieses Jahres dekoriert war, Pink und Grau. Die
Gastgeberin, die so tat, als ob sie eine Moderatorin wäre,
strahlte beherrschte Freude aus. »… zielle Stellen
der Centers for Disease Control in Atlanta haben die neuesten
Daten zum nationalen Seuchenimpfprogramm veröffentlicht.
Fünfundsechzig Prozent der Bevölkerung haben bislang
die verbesserte Schutzimpfung bekommen, und weniger als 0,001
Prozent haben über Nebenwirkungen geklagt, die sich bei der
vorherigen Version des Impfstoffs als ein solches Problem
erwiesen hatten. Jefferson Pirelli, der Vorsitzende der
Sonderkommission der Präsidentin, gab dazu folgenden
Kommentar:«
    Das Bild verbreiterte sich plötzlich und erfaßte
Pirelli. Er sah dünner aus und hatte noch mehr Haare
verloren. Er trug einen eleganten grauen Anzug und ein Stirnband
mit einem Muster aus purpurroten Schaltkarten, wie es schien, und
saß in seinem Studiosessel, als ob seine Hände bereit
wären, auf eine Tastatur zu springen. »Erste
Datenscans deuten darauf hin, daß wir zwar erst
fünfundsechzig Prozent der Bevölkerung geimpft, aber
über neunzig Prozent derjenigen erfaßt haben, bei
denen die Gefahr, daß sie die Seuche bekommen würden,
am größten war.«
    »Doktor Pirelli, wie stellen Sie eigentlich fest, wer in
Gefahr ist? Ich bin sicher, daß viele von uns das nie so
richtig verstanden haben«, sagte die Gastgeberin heiter.
Sie saß ein wenig schräg in ihrem Sessel, von Pirelli
abgewandt, als ob sie Angst hätte, ihr Rock könnte ihn
streifen. Caroline stellte sich ihre Unterhaltung vor der Sendung
im grünen Raum vor. Daten.
    »Wir tun das mit Hilfe von komplizierten mathematischen
Modellen«, sagte Pirelli.
    »Und Sie waren durch Ihre Arbeit als Datenscanner an der
Entwicklung dieser Modelle beteiligt, glaube ich.«
    »Nein«, sagte Pirelli. »Die Leute, die an
der Entwicklung dieser Modelle beteiligt waren, waren die
anonymen Opfer von Gehirnkrankheiten, die die Kommission
untersucht hat.«
    »Die Opfer der Seuche, meinen Sie«, sagte die
Gastgeberin ernst.
    »Nicht unbedingt«, erwiderte Pirelli leise, und
Caroline schaltete den Ton aus und stellte das System auf
Aufnahme. Einen langen Augenblick saß sie schweigend da. Nicht unbedingt.
    Der Luftwagen landete auf dem Dach des Theaters, eine von
Dutzenden von Metallkugeln, die aus dem Himmel herabgeschossen
kamen. In Caroline wurde plötzlich eine Erinnerung wach:
Gänse, die so tief über ihr dahinflogen, daß sie
das Gefühl hatte, sie berühren zu können,
während sie im Marschgras auf dem Rücken lag, ihr
brauner Arm ein Strich auf dem warmen grauen Himmel…
    Sie verdrängte die Erinnerung. Es war nur die
Vergangenheit.
    »Sind wir spät dran, Jason?«
    »Sie sind noch rechtzeitig genug da, um im Foyer einen
Drink zu nehmen.«
    Caroline lächelte bei dem Gedanken, daß man in
diesem Foyer hier Drinks bekommen würde.
    Natürlich gab es keine. Patrick Shahid, der einen
strengen schwarzen Anzug trug, empfing sie direkt an der Tür
des Theaters, der ursprünglichen Hebebühne der
Laderampe, die im nachhinein mit einer Computersteuerung
ausgerüstet worden war. Das Foyer bestand aus
avantgardistischem Technomüll und halb in die Wände
einzementierten, unförmigen Antiquitäten, die auf eine
Weise angeordnet waren, die vermutlich für irgend jemanden
eine Bedeutung hatte: das Chassis eines zerlegten
Rasenmähers mit Benzinmotor; mehrere uralte grüne
Bildschirme; ein Waffeleisen; ein separater Videorecorder, dessen
Stromkabel zur Decke hochstanden. Carolines Blick schweifte
liebevoll über das verblüffend häßliche
Szenario, das mit Absicht über dem gängigen
elektronischen Theaterplakat angeheftete altmodische Papierplakat
und das Theaterpublikum, hauptsächlich junge Leute in Jeans
oder lässigem synthetischem Leder. Niemand schien der Frau,
die in Seide gewandet und mit Diamanten geschmückt in
Begleitung eines Leibwächters herumlief, die geringste

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