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Schädelrose

Schädelrose

Titel: Schädelrose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Kress
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dritten Stock an. »Zwei
Ehen, ich weiß. Was noch?« Die Tür ging auf.
»Und >Catherine<. Wer ist Catherine?«
    Sie drehte sich zu ihm um. »Was mein Vater getan
hat«, sagte sie, wobei sie jedes Wort sorgfältig
betonte, »ist, daß er mit mir geschlafen hat. Und als
das nicht klappte, hat er mich mit einer viertklassigen Imitation
von ihm verheiratet. Und zwischendurch hat er versucht, sich
einen illegalen Klon von der lustigen kleinen Tochter machen zu
lassen, die sich ihm irgendwie entfremdet hatte.«
    Robbies Augen wurden groß. Sofort ging es Caroline
besser. Deshalb hatte sie es ihm also erzählt – wegen
dieser Sekunde echten Schocks, der flüchtigen Verbindung mit
jemandem an ihrer Seite. So kurz es auch sein mochte. Wie
seltsam.
    »Das ist alles längst vorbei«, sagte sie.
»Machen Sie sich keine Sorgen deswegen. Sehen wir mal, was
der Hurensohn will.«
    Colin Cadavy stand mit dem Rücken zu ihnen da, über
das chinesische Porzellan auf Carolines Frisierkommode gebeugt.
Als sie das Zimmer betraten, drehte er sich um und streckte beide
Hände aus. »Callie!«
    Caroline fühlte, wie sie seine Umarmung entgegennahm und
ihm die Wange für seinen Kuß hinhielt, und sie
spürte auch Robbies Überraschung. Nun, wie sollte er
angesichts dessen, was sie ihm gerade erzählt hatte, auch
nicht überrascht sein? Und warum ließ sie sich von
Colin küssen? Aber das tat sie immer. Immer.
    »Callie«, wiederholte er leiser. »Zu lange
her, zu lange her.« Er hielt sie immer noch fest;
Wärme strahlte wie Sonnenschein von ihm aus. Sie machte sich
los und sah ihn an. Um die Augen herum hatte er mehr Falten, ein
Kunstwerk der plastischen Chirurgie und Ausdruck eines Alters,
das zehn Jahre unter dem seinen lag. Die berühmten
grünen Augen – Implantate, bevor solche
Augenoperationen gang und gäbe geworden waren –
leuchteten immer noch mit der gleichen ziellosen Leidenschaft. Er
hatte seinen hochgewachsenen Körper straff und schlank
erhalten. Jedesmal, wenn sie ihn sah, war es das gleiche: Sofort
wäre sie am liebsten fett und alt geworden. Aber das
werde ich nie, dachte sie und spürte, wie sich die
vertraute Schlinge zuzog.
    »Colin, das ist Robbie Brekke.«
    »Hallo.« Sie beobachtete, wie er Robbie musterte,
wie er ihn bis zur letzten verräterischen Position des
letzten Gesichtsmuskels dBaste und die warme, körperliche
Präsenz einschaltete, die bedeutete, daß Robbie
entlassen war. »Freut mich, Sie kennenzulernen, junger
Mann.«
    »Ganz meinerseits, Sir. Ich bewundere Ihre Arbeit schon
lange.«
    Colin lachte; Freude und Bescheidenheit, genau in der
richtigen Dosierung. »Meine Arbeit stammt
größtenteils aus einer Zeit, als Sie sie noch gar
nicht sehen konnten, fürchte ich.«
    »Das stimmt nicht.« Sie lachten beide. Caroline
konnte es nicht aushalten.
    »Ich bin beeindruckt«, sagte sie in einem
schrillen Ton, den sie sofort haßte. »Sie haben
dieses alberne Stirnband nicht sofort abgenommen. In Gegenwart
meines Vaters ist es immer so, daß junge Männer
unpassende Kleidungsstücke ablegen. Ich bin wirklich
beeindruckt.«
    Beide Männer sahen sie an. Caroline wandte sich ab.
»Kaffee? Einen kleinen Schnaps?«
    »Nein danke. Das ist leider nur eine Stippvisite,
Callie. Der Wagen wartet. Ich muß nach New York zurück
zur Probe, aber als ich hörte, daß du hier
bist…«
    »Wie hast du’s erfahren?«
    »Von Charles.«
    »Charles?«
    »Ich habe im Heim angerufen, um mich nach Catherine zu
erkundigen – sieh mich nicht so an, Callie. Sie ist mein
einziges Enkelkind. Wieso findest du es so merkwürdig,
daß ich mir Sorgen um sie mache?«
    »Für deine Sorgen um Catherine ist es schon
längst zu spät.«
    »Callie, Callie«, sagte Colin mit dieser
unendlichen Traurigkeit in seiner schönen Stimme, die ein
guter Schauspieler nach Belieben hervorzaubern kann. Vielleicht
war die Traurigkeit auch echt. Keine muntere junge Enkeltochter,
mit der er herumreisen, lachen und Szenen spielen konnte. Die er
umwerben konnte. Keine kleine Prinzessin, die Colin Cadavys
ewige, frivole, monströse Jugend rechtfertigte.
    Nichts davon stimmte.
    Oder vielleicht doch, und sie konnte es einfach nicht mehr
erkennen. Bei Colin würde jeder Schluß, zu dem sie
kam, immer zu simpel, zu platt sein. Stets glitten ganze
Schichten von Erfahrungen beiseite und blieben außer
acht.
    »Robbie«, sagte sie in dem gleichen abscheulichen
Ton, »Sie sind dran. Warum sagen Sie

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