Schakale Gottes
und Besiegte beklatschten sich gegenseitig, an das Volk aber dachte niemand. Es lehrt eben nur das Unglück, Unglücklichen Hilfe zu gewähren.« Babuschka erhob sich. »So«, sagte sie inbrünstig und lachte, »nachdem ich die Fehler anderer wieder einmal genüßlich angeprangert habe, werde ich gewiß gut schlafen.« Sie wandte sich an Pater Rochus. »Entschuldigen Sie, wenn ich mich gleich zurückziehe, aber ich bin müde. Und vergessen Sie nicht, mir zu schreiben, an welchem Tag Sie nach Warschau kommen werden.«
Es wurde ein abrupter Aufbruch, der offensichtlich beabsichtigt gewesen war. Denn wenig später bat auch Fedor darum, sich verabschieden zu dürfen. Er habe noch zu arbeiten.
»Willst du etwa ein Schmuckstück für eine gewisse junge Dame entwerfen?« neckte ihn Natascha.
»Wäre das so schlimm?« entgegnete er und reichte dem Pauliner die Hand. »Haben Sie sich eine Droschke bestellt?«
»Ja, für elf Uhr.«
»Und wir sehen Sie bestimmt zu Weihnachten?«
»Ich habe es Ihrer Tante versprochen.«
»Alsdann …«
»Ein netter Kerl, Ihr Bruder«, sagte Pater Rochus, als er mit Natascha allein war.
»Manchmal ist er leider ebenso kompliziert wie Babuschka.«
»Aber, ich bitte Sie! Ihre Tante ist eine reizende alte Dame.«
»Kompliziert ist sie dennoch. Und mein Bruder ist ihr in vielem ähnlich. Wenn beide es auch nicht zugeben: sie kranken daran, daß wir alles verloren haben. Bei Fedor kommt natürlich hinzu, daß er sich künstlerisch nicht so betätigen kann, wie er es möchte und wie es seinen Fähigkeiten entsprechen würde. Ich habe schon überlegt, ob es nicht möglich wäre, daß Ihr Kloster ihm einen Auftrag erteilt?«
Pater Rochus bedeutete ihr verlegen, daß sein Orden praktisch nie selbst Aufträge vergebe, vielmehr alles geschenkt bekomme.
Natascha war so enttäuscht, daß sie fast mit Tränen kämpfte. Die Hoffnung, sich selbständig machen zu können, hatte Fedor so positiv verändert, daß ihr davor graute, ihm die Wahrheit zu sagen. Ihre Gedanken wirbelten wie Blätter im Wind. Sie sah die Tochter des Juweliers vor sich. Wenn Fedor keinen Auftrag erhielt … Das junge Mädchen war hübsch, ihr Vater reich. Es lag auf der Hand, was eintreten würde, wenn er nicht weiterhin gemeinsam mit ihr, Natascha, am Projekt seiner Träume arbeiten konnte.
Pater Rochus unterbrach ihre Gedanken mit der Frage: »Glauben Sie, daß ich Babuschka zu Weihnachten mit einem Geldgeschenk unterstützen dürfte?«
Natascha fror plötzlich. »Natürlich dürfen Sie das«, antwortete sie ernüchtert.
»Und was meinen Sie, welche Summe …? Verstehen Sie mich nicht falsch: ich habe keine Ahnung, was ein Haushalt kostet.«
Wenn ich jetzt raffiniert vorgehe, kann ich Fedor vielleicht doch noch helfen, schoß es Natascha durch den Kopf. »Der Haushalt ist das wenigste«, sagte sie nach kurzer Überlegung. »Da legen wir alle zusammen. Was uns Kummer bereitet, sind Wucherzinsen, die Ende des Jahres für eine Schuld fällig werden, die Babuschka auf sich genommen hat.«
»Das könnte ich doch erledigen«, sagte Pater Rochus beinahe erfreut. »Wie hoch sind die Zinsen?«
Natascha gab sich bedrückt. »Tausend Rubel.«
Er legte seine Hand auf ihren Arm. »Hören Sie zu. Ich gebe ihnen den Betrag, und Sie zahlen die Zinsen. Ihre Tante darf natürlich nicht erfahren, von wem das Geld stammt. Vielleicht kann Ihr Bruder sagen, er habe es von seinem Chef erhalten.«
Nataschas Herz schlug schneller. Wenn sie Fedor die tausend Rubel gab, konnte er dafür Gold kaufen und einen sakralen Gegenstand schaffen. Ein Kruzifix vielleicht. Wenn er es dann als Kunstobjekt verkaufte …
»Wieviel Prozent Zinsen werden Ihrer Tante eigentlich berechnet?« fragte Pater Rochus.
»Zwanzig«, behauptete sie, ohne zu überlegen.
»Die Schuld beträgt also fünftausend Rubel.«
Natascha blieb nichts anderes übrig, als zuzustimmen. Sie nickte.
Pater Rochus dachte an den Prior des Klosters, der ihm einmal gesagt hatte: Man muß das Gegenwärtige tun und das Künftige bedenken. Er entschloß sich, Babuschka zu helfen.
Pater Rochus war sich klar darüber, daß er Babuschka nur helfen wollte, um Natascha zu beeindrucken. Er kannte sich und war so ehrlich, sich nichts vorzumachen. Es zählte zu seinen Schwächen, daß er gerne den hilfsbereiten Menschen spielte; ein Minderwertigkeitskomplex mochte die Triebfeder sein. In diesem Fall ging es ihm aber um mehr: er wünschte Natascha für sich einzunehmen. Sie hatte etwas zum
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