Schamanenfeuer: Das Geheimnis von Tunguska
aufgestellt. Ihre martialische Bewaffnung bestand aus Maschinenpistolen und modernen Faustfeuerwaffen, die sie am Gürtelholster trugen. Bashtiris Bodyguards gesellten sich wortlos in ihren schwarzen Overalls dazu.
Olguth und Rodius verfolgten das Geschehen mit überkreuzten Armen und zweifelnder Miene. Die übrigen russischen Studenten und wissenschaftlichen Mitarbeiter hatten mit verunsicherten Gesichtern hinter ihnen Aufstellung genommen. Es hatte zu regnen angefangen, und am Horizont zogen weitere dunkle Wolken auf, als ob sie die düstere Stimmung noch unterstreichen wollten.
Viktoria sprang aus dem Boot und lief zu Professor Rodius, der ihr in diesem Meer von Verrückten wie eine Insel der Vernunft erschien. »Kannst du mir sagen, was während meiner Abwesenheit hier geschehen ist?« Viktoria erhoffte sich von ihrem Professor eine Einschätzung der Lage.
»Einer von Lebenovs Leuten hat einen eigenen Kameraden erschossen«, bemerkte Rodius leise. »So wie die Leiche aussah, haben die Schüsse den Mann glatt durchsiebt. Es erinnerte an einen Amoklauf. Bisher weiß niemand, wie es dazu kommen konnte.«
|215| »Na, wie wohl?« Viktoria gab sich keine Mühe, den ironischen Unterton in ihrer Stimme zu unterdrücken. »Wer mit dem Feuer spielt, wird darin umkommen, sagte schon mein Großvater. Schau dir doch all diese schießwütigen Idioten an! Kein Wunder, wenn da einer durchdreht. Also, ich fühle mich keinen Deut sicherer, nur weil hier Soldaten mit einer Knarre umherlaufen.«
»Wem sagst du das«, murmelte Rodius, und mit einem Nicken mahnte er zur Aufmerksamkeit, weil nun Lebenov erschien.
»Heute Nachmittag hat es einen Schusswechsel gegeben, bei dem einer unserer Kameraden bedauerlicherweise den Tod gefunden hat«, erklärte er mit erhobener Stimme. »Bis die Ursachen für diesen Zwischenfall nicht genau geklärt sind, wird niemand dieses Camp verlassen. Wir haben mit dem betroffenen Kameraden des toten Kollegen ein intensives Gespräch geführt, das wir noch auswerten müssen.« Lebenov schaute in die Runde, wobei ihm seine Ratlosigkeit durchaus anzusehen war.
Zwei Stunden zuvor hatten er und einige seiner Leute Biborow in die Mangel genommen, doch außer dass der Kosake immer wieder in Tränen ausbrach, war nichts bei der Befragung herausgekommen.
»Da war etwas Düsteres«, hatte Biborow unentwegt gestottert. »Ich habe im Wald einen Schatten gesehen, und Istvan hat es gehört. Er hat mir ein Zeichen gegeben.«
»Was war es genau? Verdammt, kannst du es nicht wenigstens beschreiben?« Lebenov war mit Biborow alles andere als zimperlich umgegangen, als er ihn in einer der Baracken, in der die Soldaten untergebracht waren, persönlich verhört hatte.
»Ich weiß es nicht!« Wieder hatte Biborow zu heulen begonnen, und Lebenov vergaß sich vollkommen, indem er dem Soldaten mit voller Wucht in das rote, aufgequollene Gesicht schlug. Biborow protestierte nicht, sondern schaute auf, als ob er einen weiteren Schlag erwartete. Für ihn war es nichts Ungewöhnliches, von seinen Vorgesetzten Prügel zu beziehen. Ja, es gab ihm sogar eine gewisse Sicherheit, die ihn in seine gewohnte Welt zurückkehren ließ.
»Da war ein Monster«, flüsterte er tonlos und starrte Lebenov mit hellen, verwirrten Augen an, als ob er nicht ganz bei Trost sei. »Es hatte glühende Augen und reißende Zähne und eine blaue gespaltene |216| Zunge … Es kam auf mich zu. Ich musste schießen. Woher hätte ich denn wissen sollen, dass es Istvan war?«
Lebenov erwiderte den Blick seines Soldaten, und dabei war er geneigt, seine Hand an den Abzug seiner Pistole zu legen, um den armen Irren hier und vor Ort zu erschießen. Doch stattdessen atmete er tief durch und warf einen resignierten Blick zu Bashtiri, der nicht weniger schockiert neben ihm stand.
»Ich fürchte, wir müssen Doktor Parlowa ein weiteres Mal bemühen«, beschloss Lebenov in einem fatalistischen Tonfall, der jeden beunruhigen musste, der ihn näher kannte, war es doch ein sicheres Zeichen dafür, dass er kurz vor einem cholerischen Ausbruch stand. »Sie soll den Kerl unverzüglich sedieren.« Sein Blick fiel auf ein paar umherstehende Wachleute. »Legt ihm Plastikfesseln an, damit er keine weitere Gefahr darstellt. Doktor Parlowa soll unverzüglich eine Einweisung in die Psychiatrische Klinik von Krasnojarsk vorbereiten, und dann ab mit ihm in den Helikopter.«
Der Regen war stärker geworden. Von ferne zuckten Blitze, und ein Donnergrollen rollte über den
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