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Schamanenfeuer: Das Geheimnis von Tunguska

Schamanenfeuer: Das Geheimnis von Tunguska

Titel: Schamanenfeuer: Das Geheimnis von Tunguska Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina André
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wurden geboren, und dein Urgroßvater hat nie mehr über jene Tage gesprochen. Erst auf dem Sterbebett übergab er deiner Großmutter dieses Buch, von dem schon die Rede war.«
    »Warum weiß bis heute niemand, was wirklich geschehen ist?«
    »Als am Ende der zwanziger Jahre die ersten Wissenschaftler in diese Gegend kamen, war im wahrsten Sinne des Wortes längst Gras über die Sache gewachsen. Niemand hat die Idee geheimer Experimente verfolgt. Schon gar nicht unter Einfluss der Schamanen. Unser Wirken war nach der Machtergreifung der Bolschewiki bei Todesstrafe verboten, und wir wurden weitaus gründlicher verfolgt als je zuvor.« Leonids Blick wechselte zu seiner Großmutter, die ihn schweigend beobachtete.
    »Abgesehen davon, dass es eine fast unglaubliche Geschichte ist. Was hat es mit mir zu tun?«
    |297| »Beide Schamanen sind deine direkten Vorfahren. Ich kann es dir nicht erklären.« Taichin sah ihn mit merkwürdig leuchtenden Augen an. »Ich will es dir zeigen.«

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    23
    Januar 1908, Sibirien – Machtspiele
    Viel später hatte sich Leonard immer wieder die Frage gestellt, wie groß seine Mitschuld an den unseligen Geschehnissen tatsächlich gewesen war. Eine Antwort jedoch hatte er bis zu seinem Lebensende nicht gefunden, wenn ihm auch die Überlebenden des Unglücks verziehen hatten, allen voran Tschirin, der guten Grund gehabt hätte, ihn zu hassen.
    Wie jeden Mittwoch war der junge Jämschtschik mit seinem Pferdeschlitten ins Tal ohne Wiederkehr gekommen, um Lebensmittel und Holz ins Lager zu bringen, als ein Bote des Kommandeurs erschien und ihm einen wichtigen Brief übergab, den er unverzüglich an Tschutschana, seinen Vater, weiterzuleiten hatte. Es war eine Einladung, wie er erst später erfuhr, als er zu seinem Stamm zurückkehrte und dem Vater den Brief mit dem Siegel des Zaren übergab.
    Tschirin war im Grunde nicht neugierig, und doch interessierte es ihn, warum die ungeliebten Russen ein offizielles Schreiben an seinen Vater gerichtet hatten. Während er Pferde und Rentiere mit Heu versorgte, rief sein Vater ihn in die Jurte des Ältesten. Die strenge, ausgemergelte Miene des Schamanen war finster, und nicht nur Tschirin verspürte jenes unwohle Gefühl, das ihn immer befiel, wenn das Familienoberhaupt eines seiner Kinder zu sich rief. Auch Tschirins Mutter wirkte ängstlich und scheuchte den Rest der Sippe aus dem Zelt heraus, damit sich Vater und Sohn unter vier Augen unterhalten konnten.
    Tschutschana stand aufrecht mit verschränkten Armen da und bedachte seinen Jüngsten mit einem abschätzenden Blick.
    »Hast
du
ihnen erzählt, dass ich das Wetter beeinflussen kann?«
    Tschirin senkte schuldbewusst den Blick. »Ja«, bestätigte er kleinlaut. »Ich dachte, es weiß doch ohnehin jeder in der Gegend, wie |298| mächtig du bist. Sie haben es doch spätestens erkannt, als du den Deutschen ins Leben zurückgeholt hast.«
    »Hast
du
ihnen gesagt, dass ich Blitze erzeugen kann?«
    »Was war daran falsch?« Zum ersten Mal wagte Tschirin, zu seinem Vater aufzuschauen.
    »Xutēkerwē!« Die Stimme des Vaters wirkte bedrohlich, und wenn er ihn trotz seiner Größe und seines Alters »Söhnchen« nannte, so hatte das nichts Gutes zu verheißen. »Was hast du dir nur dabei gedacht? Es gibt zurzeit nur zwei Schamanen in ganz Sibirien, die diese Fähigkeit in sich tragen. Der eine ist Maganhir, unser Erzfeind, und der andere bin ich.«
    »Es tut mir leid«, murmelte Tschirin zerknirscht. »Ich war einfach stolz darauf, einen so berühmten Schamanen zum Vater zu haben, der sogar den Geist eines Menschen aus dem Reich der Ahnen zurückholen kann. Ich habe die Augen der Russen gesehen – ihre verächtlichen Blicke, als du in der Jurte vor allen Anwesenden damit begonnen hast, zu schamanisieren. Es war mir eine tiefe Genugtuung, als ich, nachdem du das Kind vollkommen geheilt hattest, die Angst und die Ehrfurcht vor deinen Taten in ihren Augen erblicken konnte.« Er schüttelte demütig den gesenkten Kopf, bevor er seinem Vater erneut in die Augen blickte und eine Hand auf sein Herz legte. »Es soll nicht wieder vorkommen, Vater. Ich verspreche es bei meinen Ahnen.«
    »Es ist zu spät«, raunte der Alte. »Sie wollen, dass ich meine Fähigkeiten erneut unter Beweis stelle. Falls ich es nicht tue, drohen sie mit einem empfindlichen Übel.«
    »Was hat das zu bedeuten?« Tschirin war blass geworden. »Könntest du nicht einfach sagen, ich hätte mich geirrt, es läge gar nicht in deiner Macht,

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