Schamanenfeuer: Das Geheimnis von Tunguska
forschen. Und schließlich bin ich es, der die ganze Angelegenheit finanziert. Ich habe bereits veranlasst, dass sich unsere Sanitäter um Ihren Kollegen |346| kümmern. Je nachdem wie sich sein Zustand entwickelt, werden wir ihn noch heute Abend nach Vanavara ins Hospital transportieren müssen. Ich gehe davon aus, Sie sind damit einverstanden.«
Das war ein glatter Rausschmiss, doch Rodius nickte. »Sie haben vollkommen recht. Unter den gegeben Umständen halte ich Ihren Vorschlag für sinnvoll.«
Bashtiri verabschiedete sich mit einem falschen Lächeln und wandte sich seinem Domizil zu, um kurze Zeit später mitsamt seinen Leibwächtern darin zu verschwinden. Es dauerte eine Weile, bis sich Viktoria aus ihrer Erstarrung gelöst hatte und ihren Chef voller Verzweiflung anblickte.
»Wir können unmöglich einfach abhauen und Leonid hier zurücklassen«, bemerkte sie leise. »Sie werden ihn umbringen.«
»Selbst wenn es so wäre, es geht uns nichts an, Viktoria.« Rodius legte die Stirn in Falten und wandte sich der Baracke zu, wo man Theisen untergebracht hatte.
Viktoria folgte ihm. Aufzugeben war nicht ihre Sache.
Rodius jedoch ließ sich nicht beeindrucken. »Wir müssen jetzt an uns selbst denken«, raunte er ihr zu. »Wir können froh sein, wenn es hier nicht noch mehr Ärger gibt. Vielleicht ist es möglich, irgendwann einmal zurückzukehren und die Sache zu Ende bringen. Ich habe kein Interesse daran, für diplomatische Verwicklungen zwischen Russland und Deutschland verantwortlich zu sein.«
»Gregor, das kann doch nicht dein Ernst sein?«
»Geh packen! Das ist mein letztes Wort.«
Viktoria blieb stehen und sah dem Professor ungläubig hinterher.
Kolja, der die ganze Szene aus einiger Entfernung mitverfolgt hatte, trat an Viktoria heran.
»Wer, zum Teufel, ist Leonid?« Seine Frage klang arglos, doch Viktoria wusste längst, dass sie auch bei ihm vorsichtig sein musste.
»Nicht hier«, flüsterte sie und zog den Russen zu ihrer Baracke, während sie Rodius allein zu Theisens Unterkunft gehen ließ.
In ihrem Zimmer erzählte sie dem angeblichen Geheimagenten der russischen Regierung im Flüsterton die ganze Geschichte. Dabei setzte sie alles auf eine Karte. Entweder er vertraute ihr und würde ihr helfen – oder er steckte mit Lebenov und Bashtiri unter einer Decke. |347| Schlimmer jedoch konnte es in ihren Augen ohnehin kaum noch kommen.
»Wie sollte ich dir helfen?« Kolja sah sie ungläubig an. »Ich bin ganz allein hier. Bis wir Hilfe aus Krasnojarsk oder Irkutsk erwarten können, haben Lebenov und seine Leute uns längst an die Wand gestellt.«
»Du könntest die Polizei von Vanavara alarmieren«, schlug sie vor. »Dir glauben sie eher als mir.«
Kolja schnaubte belustigt. »Ich arbeite verdeckt. Naturgemäß habe ich nichts dabei, was mich als einen Agenten der Russischen Föderation ausweisen könnte, außer einer Waffe für den Notfall, die ich bisher verstecken konnte. Selbst wenn ich versuchen würde, die beiden zu stellen, hätte ich nichts gegen sie in der Hand. Nur meine Operation wäre enttarnt. Außerdem sind sie in der Übermacht.«
»Und wenn du Leonid nicht hilfst, fehlt deinem Geheimdienst ein wertvoller Informant, der alles, was die beiden jemals getan haben, aufdecken könnte.«
Diese Bemerkung schien Kolja einzuleuchten. Trotzdem schüttelte er den Kopf. »Nach meiner Erfahrung wird er die Nacht ohnehin kaum überleben«, erklärte er leise. »Es sei denn, sie hätten irgendein Interesse an ihm, das über die alten Geschichten hinausgeht.«
Akim Rebrov führte Leonid auf Anweisung Lebenovs in eine leer stehende Baracke, in der er sich bis auf die Unterhose ausziehen musste. Anschließend wurde er auf ein Stahlrohrbett gesetzt und in Handschellen daran festgekettet. Als Rebrov ging, ließ er zwei Soldaten als Bewachung zurück.
Leonid war sich im Klaren darüber, was ihn erwartete. Bashtiri kannte er nur vom Sehen, aber Lebenov war ihm von dem Moment ein Begriff, als er die Offiziersschule besucht hatte. Schon bald war sein Respekt für den höhergestellten Mann in Verachtung umgeschlagen, weil bei ihm nur derjenige vorankommen konnte, der ihm in den Hintern kroch oder der die richtigen politischen Beziehungen hatte. Leistung spielte in diesem Zusammenhang eine untergeordnete Rolle, und so hatte Leonid froh sein dürfen, dass er trotz guter Prüfungsergebnisse nicht allzu unangenehm aufgefallen war. Doch immer wieder war ihm der grobschlächtige Offizier in die
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