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Schamanenfeuer: Das Geheimnis von Tunguska

Schamanenfeuer: Das Geheimnis von Tunguska

Titel: Schamanenfeuer: Das Geheimnis von Tunguska Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina André
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trug.
    Sven schien ihre Panik nicht zu bemerken. Auf einmal hielt er ein |76| Stück Metall in Händen und war nun viel zu beschäftigt mit seinem Erfolgserlebnis, als dass er realisierte, in welcher Gefahr sie sich befanden. Viktoria zerrte an seinem Arm, doch er dachte gar nicht daran, mit ihr aufzutauchen. Stattdessen weiteten sich seine Augen hinter der Tauchermaske, und er hielt Viktoria das Metallstück entgegen, als ob sie ihn daran hochziehen sollte.
    Als sie registrierte, dass Sven trotz ihrer Unterstützung begann, in die Tiefe zu rutschen, ließ sie den metallischen Gegenstand fahren und stieß nach unten. Sven hing fest. Seine Flosse war mit der Spitze zwischen zwei Felsen verkeilt. Und so wie es aussah, konnte er sich unmöglich selbst befreien. Das unterirdische Dröhnen war lauter geworden. Viktoria sah nur einen Ausweg: Sie musste Sven helfen, die Flosse abzustreifen, andernfalls würden ihn Schlamm und Geröllmassen in fünfzig Meter Tiefe ziehen und ihn womöglich unter sich begraben.
    Todesmutig tauchte sie noch tiefer hinab. Entschlossen entledigte sie sich ihrer Handschuhe und umklammerte Sven Theisens Knöchel, um von dort aus mit Daumen und Zeigefinger unter den Rand der Flosse zu gelangen. Mit einem Ruck gelang es ihr, den festen Gummischuh von seinem Fuß abzustreifen. Das Beben wurde heftiger, und beim Blick in die Tiefe konnte sie plötzlich eine große helle Wolke erkennen, die mit rasender Geschwindigkeit auf sie zuschnellte. Der unvermittelt auftretende Wirbel erfasste sie wie der Schleudergang einer Waschmaschine und riss sie von Theisens Unterschenkel los. Eine unbändige Kraft katapultierte sie gegen den nächsten Geröllhaufen.
    Ohne einen Schmerz zu verspüren, schlug sie mit dem Kopf auf. Mittelgroße Steine schwirrten um sie herum und drohten sie zu erschlagen. Wie prasselnde Nadelstiche empfand sie die aufwallenden Geröllmassen, die ohne Erbarmen ihren Neoprenanzug attackierten und mit denen sich ihr ungeschützter Körper wie in einem Reigen drehte. Irgendwo konnte sie die gelbe Flosse von Sven sehen, die im Kreis rotierte. Trotz aufkommender Panik schaffte sie es, ihren Bleigürtel zu lösen, um schneller aufsteigen zu können.
    Eine zweite Welle erfasste sie mit einem gewaltigen Ruck und schleuderte sie in Richtung Oberfläche. Sie verlor ihr Mundstück und schluckte Unmengen an Wasser. Ihr Körper schien wie gelähmt. In einem Strudel sah sie über sich das Licht der Sonne, zwei, drei Meter |77| entfernt, verquirlt zu einem kristallinen Kaleidoskop und doch unerreichbar. Sie würde sterben. Eine plötzliche Gewissheit ließ sie vollkommen ruhig werden, und während sie von einem Abwärtssog erfasst wurde, verlor sie das Bewusstsein.

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    5
    Februar 1905, Sibirien – Höllenfahrt
    Moskau lag fünf Tage zurück, und bis auf wenige Zwischenstopps an ein paar zugigen Bahnhöfen – mit den bedeutungsvollen Namen Europa und Usia –, die den europäischen und den asiatischen Kontinent miteinander verbanden, hatten Leonard und Pjotr nur wenig Gelegenheit gehabt, sich ein wenig die Beine zu vertreten.
    Die Aussicht aus dem vergitterten Fenster ermöglichte Leonard den Blick auf eine berauschend schöne Landschaft, die in keinem Verhältnis zur Düsternis ihrer eigentlichen Reise stand. Berge wechselten mit tiefen bewaldeten Tälern, die über und über bedeckt von pudrigem Schnee den Eindruck erweckten, als seien sie aus reinem, glitzerndem Zucker gegossen, nur hier und da durchbrochen von hell- und tiefblauen Schatten.
    Bevor der Zug im Bahnhof von Krasnojarsk einfuhr, passierte er die erst kürzlich errichtete, beinahe zwei Werst lange Eisenbahnbrücke über den zugefrorenen Jenissei, der an dieser Stelle eine Stromlänge von 4 900 Werst erreichte und – soweit Leonard aus seinem Geologieunterricht wusste – in den Gebirgen der Mongolei entsprang. Unterhalb von Krasnojarsk hatte der Strom bereits zwei Werst an Breite erreicht, die sich bei seiner Mündung ins nördliche Eismeer auf gut 40 Werst erweitern würde.
    Allmählich dämmerte es Leonard, was diese Deportation für ihn bedeutete. Aufgesogen vom ewigen Eis und Schnee der sibirischen Taiga, würde er seine Heimat nie wieder sehen, und doch war es nicht sein eigenes Schicksal, das ihn ängstigte, sondern der Gedanke an Katja, der seine ganze Sorge galt. War es ihr gut ergangen? Hatte sie die Kälte bis hierher heil überstanden? Noch am Morgen zuvor hatte die Lokomotive |78| ihn mit dem quietschenden Geräusch

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