Schatten der Liebe
Haus ist ja kaum mehr als eine Hütte.« Sie sagte nichts, und das brachte Philip dazu, auf ihren letzten Liebhaber zu sprechen zu kommen, den, wegen dem er sich hatte scheiden lassen. »Spearson hat es nie zu etwas gebracht, hast du das gewußt, Caroline? Er verdient sich seinen Lebensunterhalt nach wie vor damit, anderer Leute Pferde zu trainieren und Reitstunden zu geben.«
Es war unglaublich, aber sie lächelte daraufhin nur und schenkte sich selbst ein Glas Wein ein. Schweigend trank sie einen Schluck und studierte ihn über den Rand des Glases hinweg mit ihren großen blauen Augen. Ohne mit der Wimper zu zucken, erwiderte Philip ihren Blick, obwohl er sich dabei kindisch vorkam.
»Du bist doch sicher noch nicht fertig?« fragte sie nach einer Weile. »Du hast doch sicher noch weitere Vorwürfe parat, die du mir ins Gesicht schleudern kannst?«
Philip holte tief Luft, legte den Kopf in den Nacken und seufzte. »Es tut mir leid«, sagte er wahrheitsgemäß. »Ich weiß nicht, warum ich dich so angegriffen habe. Was du tust, geht mich schließlich überhaupt nichts an.«
Sie lächelte, dasselbe ernste, gelassene Lächeln, das ihn so sehr aus der Ruhe brachte. »Du hast mich angegriffen«, sagte sie, »weil du immer noch nicht die Wahrheit begriffen hast.«
»Was für eine Wahrheit?« fragte er sarkastisch.
»Dennis Spearson hat unsere Ehe nicht kaputt gemacht, Philip, und auch Dominic hat es nicht getan. Du ganz allein warst es.«
Ärger blitzte aus seinen Augen, und sie schüttelte den Kopf und fuhr leise fort: »Du konntest nichts dafür. Du bist wie ein verschüchterter kleiner Junge, der eine Angst davor hat, daß man ihm etwas oder jemanden wegnimmt, und der sich aus lauter Furcht davor, daß so etwas passieren könnte, selber alles kaputtmacht. Du fängst damit an, den Menschen, die du liebst, Restriktionen aufzuerlegen, Restriktionen, die sie nicht einhalten können, und wenn sie dann endlich gegen eine davon verstoßen haben, fühlst du dich hintergangen und betrogen und wirst wütend. Dann rächst du dich auf deine Weise an ihnen - an denselben Menschen, die du dazu getrieben, gezwungen hast, dich zu verletzen, und weil du kein kleiner Junge, sondern ein sehr reicher und mächtiger Mann bist, ist deine Rache gegen diese angeblichen Sünder fürchterlich. Dein Vater hat im Grunde mit dir genau dasselbe gemacht.«
»Wer hat dir denn diesen psychologischen Unsinn eingeredet - irgendein Klapsdoktor, mit dem du ein Verhältnis hattest?« kritisierte er sie schonungslos.
»Ich habe Jahre damit zugebracht, Bücher über Psychologie zu lesen, um das herauszufinden«, erwiderte sie, ihm ernst ins Gesicht blickend.
»Und jetzt willst du mir einreden, daß das der Grund dafür war, daß unsere Ehe in die Brüche ging? Daß du unschuldig warst und daß ich durch irrationale Eifersucht und Besitzgier alles kaputtgemacht habe?« fragte er und stürzte sein Glas Wein hinunter.
»Ich werde dir gerne die ganze Wahrheit erzählen, wenn du glaubst, daß du sie ertragen kannst.«
Philip blickte sie mit gerunzelter Stirn an. Ihre unerschütterliche Ruhe und die leise Schönheit ihres Lächelns brachten ihn völlig aus dem Konzept. Mit Mitte Zwanzig war sie umwerfend schön gewesen. Jetzt, Mitte Fünfzig, hatte sie Fältchen um die Augen und auch auf der Stirn, doch ihr Gesicht hatte an Charakter gewonnen und wirkte seltsamerweise ansprechender als früher. Und gewinnender. Und entwaffnend.
Ihre nächste Frage riß Philip aus seinen Gedanken, und er blickte sie überrascht an. »Weißt du, warum ich dich geheiratet habe, Philip?«
»Ich nehme an, es ging dir um die finanzielle Absicherung und um die gesellschaftliche Stellung, die ich dir bieten konnte.«
Sie lachte leise und schüttelte den Kopf. »Du unterschätzt und degradierst dich selbst. Dein Aussehen und deine Manieren haben mich fasziniert und ich war in dich verliebt, aber ich hätte dich nie geheiratet, wenn da nicht noch etwas gewesen wäre.«
»Was war das?« fragte Philip wider seinen eigenen Willen.
»Ich hatte geglaubt«, gestand sie traurig, »ich hatte wirklich und wahrhaftig geglaubt, daß ich dir auch etwas bieten könnte - etwas, das du dringend gebraucht hast. Weißt du, was das war?«
»Ich habe keine Ahnung.«
»Ich hatte geglaubt, daß ich dir Lebensfreude beibringen könnte, daß ich dir zeigen könnte, wie man lacht und wie man das Leben genießt.«
Schweigen hing über dem Raum, dann blickte sie ihn durch ihre dichten Wimpern
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