Schatten der Vergangenheit (German Edition)
sollte. Aber Miss Berger hatte viele schlaflose Nächte deshalb verbracht und das leidende Gesicht des jungen Arthois, mit den Tränen in den Augen, konnte sie nicht ertragen – und auch nicht, wenn plötzlich der Sohn wie sein Vater wurde: zornig, unbeherrscht, rachsüchtig.
Sie kam mit festen Schritten zu Paul und sagte laut: „Sir, es ist an der Zeit, dass ich Ihnen etwas erzähle!“
Es war nicht einfach, nach all der Zeit, aber besser jetzt als nie, dachte sie.
„Nicht jetzt, Miss Berger!“ rief Paul aus und machte eine Handbewegung, dass sie in den Vorraum verschwinden solle. Er hatte wichtigere Dinge zu tun. Was würden die anderen Anwälte denken, wenn er sich mit dieser lästigen Sache länger beschäftigen würde?
„Doch, gerade jetzt. Es geht um Ihren Vater und es geht um Ihren ehemaligen Freund Philippe.“
„Haben Sie etwa gelauscht?!“ fuhr Paul sie an. Sein Gesicht war rot. In Anwesenheit der alten Frau Berger fühlte er sich immer noch wie in Schuljunge, den man bei einem Streich ertappt hatte.
„Die Türen waren offen und Sie und Philippe waren nicht leise...“
Sie würde sich jetzt nicht entmutigen lassen. Sie musste alles sagen, auch wenn er sie genauso ansah, wie damals sein Vater.
„Miss Berger, er hatte mit meiner Verlobten Sex, in meiner Wohnung, in meiner Küche!“ Er sprach Sex aus, als wäre es das Schmutzigste auf der Welt.
„Das weiß ich, aber haben Sie sich schon mal gefragt, warum er so ist? Dieser Alkohol, die Drogen, die vielen Frauen…?“ „Weil er verdorben ist, selbst sein Vater sagt das über ihn!“ rief Paul aus und eine Ader an der Stirn trat ihm hervor.
„Sein Vater ist ein Idiot.“
Henry d´Arthois war ein charmanter Mann, das lag ihm im Blut, aber er war immer blind für die Fehler seines toten Sohnes gewesen und Philippe hatte es nicht leicht bei dem alten Arthois gehabt, aber er, Paul, hatte es auch nicht einfach gehabt. So war das nun mal, wenn man erfolgreiche Väter hatte, oder?
„Aber Miss Berger, Monsieur d´Arthois ist einer unserer besten Klienten und ein Familienfreund!“ tadelte Paul sie.
„Ist er! Hat sein lieber Vater jemals gemerkt, dass sein Junge missbraucht wurde, und zwar von seinem eigenen Bruder!?“ fragte Miss Berger zynisch.
Paul setzte sich. Ihm wurde übel. Henry, Philippes Bruder war zwar ein Idiot gewesen, aber von Missbrauch zu sprechen? Das ging zu weit. Henry hatte auch bei ihm immer Gänsehaut verursacht, aber nicht mehr.
„Sie wissen doch nicht, von was Sie reden. Er war zwar wild und nicht immer nett zu Philippe und seiner Schwester...“
Gut, das war leicht untertrieben. Paul hatte nicht nur einmal gesehen, wie er Philippe und Caroline geschlagen und es dann vor seinem Vater als Unfall getarnt hatte, wenn die beiden Kinder blaue Flecken hatten. Und wie oft hatte er, Paul, sich mit Henry Junior deshalb geprügelt.
„Er hat Philippe gegen Geld verkauft!“ Jetzt war es heraus.
„Sie haben eine blühende Fantasie“, unterbrach Paul, aber er konnte sich in dem Moment auch erinnern, dass Henry wirklich immer Geld für Drogen hatte. Geld, das ihm nicht sein Vater gab, der für alle Fehler von Henry zwar blind war, aber was Geld betraf, machte Henry Senior auch bei seinem Lieblingssohn keine Ausnahme. Henry bekam nicht mehr Geld, als jeder andere junge Mann seines Alters und seines Standes.
„Ich weiß es, denn ich habe im Namen ihres Vaters Henry bezahlt“, sagte sie mit zitternder Stimme.
Sie hatte sich strafbar gemacht. Sie hatte gewusst, für was das Geld war, aber es war nicht das erste Mal gewesen. Anfangs hatte sie gedacht, sie bezahle Prostituierte und Arthur wollte nur nicht, dass seine Familie davon erfuhr, aber dann...
„Sie haben was…?“ fragte Paul und dachte an die Fotos. Philippe war auf den Fotos zwölf oder dreizehn, aber gab es da andere Bilder? Mit seinem Vater? Mein Gott, er konnte kaum den Gedanken zu Ende denken. Er schloss die Augen. Nein, das konnte nicht sein. Sein Vater hatte immer Frauen gemocht. Er mochte seiner Ehefrau, Pauls Mutter, nicht immer treu gewesen sein, aber doch nicht mit Kindern?
„Sie lügen, mein Vater würde niemals…“
„Ich lüge nicht und Sie haben vorhin einen Fehler gemacht. Machen Sie ihn wieder gut! Der Junge hat genug gelitten und ich kann mich doch erinnern, dass diese Ehe nicht mal das Papier wert ist, auf dem sie steht. War das nicht auch so ein
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