Schatten der Vergangenheit (German Edition)
ihre Schwiegermutter warf und dann die Frage des Kommissars beantwortete.
„Nein, ich kannte ihn kaum. Er mochte mich nicht, weil ich für seinen Sohn nicht gut genug war.“
„Mhm“, machte der Kommissar und notierte sich alles.
„Und sonst? War er krank?“
Was soll die Frage, dachte Lily.
„Als ich ihn zuletzt sah, hatte er Übergewicht, trank und rauchte, aber jetzt muss er einiges Gewicht verloren haben, so wie er aussah. Vielleicht ein Herzinfarkt?“
„Wenn es danach ginge, würde die Hälfte der männlichen, englischen Bevölkerung ein Infarktrisiko aufweisen“, brummte der Kommissar.
Jetzt sah Philippe auf.
„Meinen Sie etwa, er wurde ermordet?“ fragte er entsetzt.
Wer sollte seinen Vater ermorden – außer seiner Ehefrau?
„Wir machen eine Obduktion, dann wissen wir mehr, aber auf den ersten Blick sieht es nicht so aus, als gäbe es Fremdeinwirkung.“
Er sah Philippe an. Warum fragte das sein Sohn? Hatte er einen Verdacht? Mein Gott, hoffentlich nicht, denn dann wäre hier in dem ruhigen Ort der Teufel los. Henry d´Arthois war ja nicht irgendwer...
„Was machte er auf dem Dachboden?“ fragte er.
„Vielleicht wollte er Dinge von seinem ersten Sohn ansehen“, antwortete Lily an Stelle von Philippe, der wieder Tränen in den Augen hatte und sichtbar dagegen kämpfte, laut loszuheulen. Einige Tränen liefen ihm über die Wangen. Lily reichte ihm ein Taschentuch und legte einen Arm um seine Taille.
„Kannst du noch? Soll ich einen Arzt rufen?“ fragte sie leise.
Er schüttelte den Kopf.
„Woran starb der älteste Sohn denn?“ fragte der Kommissar.
Oh, der Herr Kommissar war nicht informiert, dachte Lily.
„Er starb an einer Überdosis Heroin in Las Vergas – vor über sieben Jahren.“
„Ah ja, hatte mal etwas gelesen. Tut mir leid.“
Niemand sagte etwas. Philippe sah Lily dankbar an.
„Ich denke, das ist es für heute, wenn ich noch Fragen habe...“
„Wann kann mein Vater begraben werden? Er wollte immer in Frankreich, auf seinem Familiensitz begraben werden...“
Der Kommissar nickte.
„Sobald ich etwas weiß, melde ich mich. Wir bringen ihn jetzt nach London. Sie verstehen, er ist sehr bekannt…“
Er machte eine unsichere Handbewegung, verabschiedete sich und ging oder vielmehr, er ergriff die Flucht. Das Schloss und diese Familie verursachte ihm Unbehagen. Er betete, dass der Mann tatsächlich an einem Herzinfarkt gestorben war.
Catarina atmete hörbar aus.
„Mama, hast du gewusst, dass er auf dem Dachboden ist?“ fragte Philippe plötzlich.
Catarina sah ihn mit ihren türkisfarbenen Augen unschuldig an.
„Willst du mir vielleicht unterstellen, ich hätte ihn umgebracht?“
Lily schnaubte.
„Würde mich auch nicht mehr wundern“, sagte sie und warf Catarina einen bösen Blick zu.
Philippe sah Lily flehend an. Er mochte keinen Streit zwischen seiner Frau und seiner Mutter.
„Bitte, Lily, Mama…“
„Du rufst am besten Geraldo an und ich rede mit Roza und Thomas. Die wissen sicher, was zu tun ist“, stotterte Catarina und wendete sich von Lily und Philippe ab.
Catarina war wie immer. Sie hatte keine Ahnung, was sie tun sollte. Sie hatte ihr gesamtes Leben seit sie sechzehn war, nur eines gut gekonnt, nämlich Partys zu veranstalten und einzukaufen. Wer würde ihr jetzt die Rechnungen bezahlen? Hoffentlich hatte ihr Henry alles vermacht, denn sie hatte das Gefühl, dass Philippe und Caroline ihr gegenüber nicht so großzügig sein würden, wie Henry es immer war. Philippe ohne Lily hätte ihr vielleicht geholfen, aber diese Blonde mochte sie nicht. Was bildete sich dieses Mädchen nur ein? Wer war sie schon?!
An einem heißen Sommertag wurde Henry Thomas Philippe d´Arthois in der Normandie, auf halbem Weg zwischen Lille und Boulogne-sur-Mer in die Gruft seiner zahlreichen Ahnen gebettet.
Der erste, der hier seine Ruhe fand, war ein Namensvetter und er starb durch die Hand seines Vaters, wie Lily mit Schaudern von einem anwesenden Historiker erfuhr. Philippe konnte nur froh sein, dass er mit spanischen Bauern mehr Gene teilte, als mit diesen Franzosen.
Philippe hatte sich auch soweit beruhigt, so dass er sich mit seiner Mutter keine Schreiduelle lieferte, weil diese eine öffentliche Aufbahrung ihres Mannes wollte. Caroline und Philippe lehnten diese Tradition ab
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