Schatten Des Dschungels
mich, umfängt mich, und ein Prickeln läuft durch meinen Körper, das schon fast schmerzhaft ist.
»Cat«, sagt Falk. »Es tut mir leid. Ich war ein Idiot neulich, dort im Labor. Es ging mir nicht gut und ich wollte dich trotzdem sehen. Besser, ich hätt’s gelassen.«
»Ja, das wäre besser gewesen«, sage ich und fühle, wie mein Ärger und meine Enttäuschung wegschmelzen. Am liebsten würde ich jetzt die Hand ausstrecken, ihn berühren, aber ich tue es nicht. »Wieso ging es dir schlecht, warst du krank?«
Er schüttelt den Kopf und zögert einen Moment. Doch wir sind uns zu nah, wir sehen uns noch immer in die Augen, diesmal kann er nicht ausweichen. »Die Konferenz war anstrengend, so viele Leute, kaum eine Sekunde war ich allein«, sagt er schließlich. »Und als ich in dieses Labor kam, wieder völlig vollgestopft … ich wollte nur noch weg.«
Ich nicke, ja, das kann ich irgendwie verstehen. Und sowenig es mir gefällt, es sieht aus, als hätte Andy zumindest in diesem Punkt recht gehabt. »War es das, was du mir sagen wolltest?«
»Nein«, sagt er. »Dabei geht es um etwas ganz anderes. Aber erst muss ich dich was fragen.« Sein Blick ist forschend, und auf einmal bin ich es, die auf dem Prüfstand steht. Ich weiß noch nicht, ob mir das gefällt.
»Frag mich«, sage ich, eine Spur trotzig diesmal. Zu trotzig vielleicht, denn Falk sagt nichts, hebt nur die Hände, umschließt mein Gesicht damit. Unendlich sanft streichen seine Fingerspitzen über meine Wangen. Und plötzlich sind wir im Einklang wie selten zuvor. Vielleicht liegt es an diesem Ort, der mir so wichtig ist, der ein Teil von mir ist. Wie Wächter, wie Gefährten umgeben uns die Bäume, hier kann ich mich fallen lassen und werde nur spüren, wie weich der Boden ist.
»Vertraust du mir?«, flüstert er.
Überrumpelt suche ich in mir nach einer ehrlichen Antwort, finde verworrene Gefühle, finde Zweifel – ich weiß so wenig über ihn. Was er denkt und was er fühlt, ist mir oft ein Rätsel. Die meiste Zeit weiß ich ja nicht mal, wo er zu finden ist, nie bin ich seiner sicher. Würde ich ihm zum Beispiel tausend Euro leihen? Ja, aber ich würde es tun, weil ich ihn liebe, nicht weil ich wüsste, dass ich sie zurückbekomme.
Doch ich gebe nicht auf, tauche tiefer. Erinnerungen strömen auf mich ein. Falk neben mir bei der Demo. »Schenk ihn einfach weiter, wenn jemand anders mal einen braucht.«
Falk in der S -Bahn, ganz ruhig sagt er, was wir alle hätten sagen müssen.
Völlig erschöpft läuft er neben mir durch die Nacht, weil er nicht will, dass mir etwas passiert …
Ich bin angekommen an einem Ort in mir, an dem es nur noch Liebe und Gewissheit gibt. An dem es Mut und Ehrlichkeit sind, die zählen. Auch wenn ich Falk noch immer kaum kenne, eins weiß ich – er würde keine Sekunde zögern, mich zu beschützen, auch wenn ihn das selbst in Gefahr brächte.
Jetzt kann ich es sagen, endlich. »Ja«, flüstere ich. »Ich vertraue dir.«
Seine Arme umfangen mich, unsere Lippen treffen sich und jeder meiner Herzschläge sagt nur eins: Ja. Ja. Ja.
Wir nehmen uns an den Händen, keiner von uns möchte jetzt noch loslassen. Gemeinsam laufen wir das Hochufer hinunter, von hier aus ist es nicht weit bis zu Falks Camp an der Isar. Wir brauchen uns nicht abzusprechen, haben beide das gleiche Ziel. In seinem Zelt ist es wärmer als draußen, und im grünen Licht, das durch Blätter und Zeltwand fällt, fühle ich mich unglaublich geborgen. Wir kuscheln uns auf seinem Schlafsack zusammen, der nach Rauch und nach ihm riecht, und diesmal fühlt sich alles richtig an. Zum ersten Mal sehe ich den fliegenden Seeadler, der auf seine Brust tätowiert ist. »Den haben wir uns alle machen lassen – alle, die bei diesem Projekt dabei waren«, erzählt Falk, aber ich will jetzt nichts hören, ich will ihn spüren, ganz und gar. Mein Kuss bringt ihn zum Schweigen und heiser sagt er: »Bist du sicher?«
Ich nicke, und Falks Hände gleiten unter mein T-Shirt, seine Lippen tasten sich vor, berühren die geheimsten Stellen meines Körpers …
Als wir uns loslassen, ist es dunkel draußen und ich habe schon fast vergessen, dass er mir etwas Wichtiges sagen wollte.
»Ach ja«, meint er und lächelt, ich spüre es, weil meine Fingerspitzen sein Gesicht berühren. »Bevor ich’s vergesse … ich musste ein paar Leute überzeugen, aber es hat geklappt. Wenn du willst, kannst du mitkommen nach Guyana.«
Und ich muss lachen, weil mir das auf einmal so
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