Schatten Des Dschungels
Aktion dabei war.
»Hey, das hast du ja nicht mal mir angeboten«, ruft Falk von hinten.
Lindy kichert. »Brauchte ich nicht, du hast mir doch sowieso bei den letzten beiden Trips Löcher in den Bauch gefragt. Also Cat, merk dir – die Pflanzen im Regenwald möglichst nicht anfassen.«
»Wieso? Weil sie giftig sind?«
»Zum Beispiel. Aber auch weil du vorher nicht weißt, welche von ihnen Beschützer haben«, erklärt Lindy und klopft vorsichtig gegen die Rinde eines gerade mal armdicken Baumes mit heller Rinde. Fast sofort quellen wütende Ameisen aus Öffnungen im Stamm, bereit zum Angriff. Rasch zieht Lindy sich zurück. »Der Ameisenbaum bietet ihnen eine Wohnung und Nahrung, dafür schützen sie ihn. Ein guter Deal für beide.«
»Ich war mal einen Meter von so einem Baum entfernt, und irgendwie haben sie gewusst, dass ich da bin, und sind rausgekommen«, fügt Falk hinzu und Lindy nickt. »Sogar der Geruch eines Menschen reicht, um sie aufzuhetzen.«
»Aber gegen Kettensägen können sie ihren Baum nicht beschützen«, sage ich traurig und kann nicht widerstehen, hinzuzufügen: »Was habt ihr denn nun gemacht dort bei den Holzfällern?«
»Wenn es geklappt hat, wirst du es bald erfahren«, erklärt Lindy mit ihrem charmantesten Lächeln und mehr wollen weder sie noch Falk mir verraten.
Wir kehren kurz vor Sonnenuntergang ins Camp zurück. Fragende Blicke empfangen uns, und als Falk und Lindy nicken, klatschen sich Pancake und Michelle mit einem High-Five ab. Mir klopft Pancake auf die Schulter und – was das Wichtigste ist – Falk legt den Arm um mich. Einen Moment lang genieße ich einfach seine Berührung und den Frieden, der wieder in mir eingekehrt ist.
Dann ruft Jonas zum Essen und ich gehe vorher noch schnell mein Handy checken. Es hat sich leider nicht wieder erholt, jetzt lässt es sich nicht mal mehr anmachen. Aber das ist nicht so schlimm, ich kann schließlich noch über mein kleines Pad Mails schreiben und über die Satellitenverbindung des Camps abschicken.
Den Rest des Abends verbringen wir alle am Fluss und hocken uns an das steinige Ufer. Friedlich liegt der Mazaruni River im Abendlicht, eine schimmernde Fläche, in der sich die üppigen Zweige des Ufers spiegeln. Über uns leuchtet der Himmel in Rot- und Orangetönen und die vielen Blüten des Dschungels duften um die Wette. Ich fühle mich angenehm erschöpft, genieße den herrlichen Blick und dass Falk ganz nah neben mir sitzt. Unsere Finger haben sich verwoben und keiner von uns mag loslassen.
Wir trinken Rotwein aus unseren unzerstörbaren Plastiktassen, ignorieren es, dass uns winzige Mücken attackieren, und frotzeln herum. Jonas zeigt begeistert Fotos seiner neusten Baumkronenfunde, eines bunten Erdbeerfröschchens und eines Goldbaumsteigers mit grün-schwarzem Hautmuster. Ein hübsches Tier, und leider absolut tödlich, wie Falk mir erzählt. Doch Jonas scheint keine Angst vor giftigen Fröschen zu haben. »Dass ich den auf dem Blatt überhaupt gesehen habe, Mann, das war wie ein Sechser im Lotto!«
Sogar Michelle wirkt etwas weniger verbissen als sonst. »Als ich noch ein Mann war, da hatte ich eine Sammlung von Sonnenuntergangfotos, achthundert schöne bunte Shots der Extraklasse«, erzählt sie fröhlich. »Ich war an jedem Abend mit der Kamera zur Stelle. Eins der Bilder habe ich mir sogar als Fototapete herstellen lassen.«
Mir bleibt der Mund offen stehen, natürlich nicht wegen der Fototapete, obwohl die bestimmt zum Niederknien kitschig war. Weil ich schon zwei Becher Wein intus habe, traue ich mich sogar zu fragen: »Seit wann bist du denn eine Frau?«
»Seit sechs Jahren, vier Monaten und zehn Tagen«, informiert mich unsere Gruppenleiterin höchst zufrieden und darauf stoßen wir dann gleich mal an.
Ich mustere Michelle neugierig, frage mich, wie sie als Mann ausgesehen haben könnte und wie es sich vor der Operation angefühlt haben muss, im für sie »falschen« Körper zu leben. Ob sie jetzt glücklicher ist als vorher?
»Aber wieso hast du gesagt, dass du die Sammlung als Mann hattest? Du hast sie danach nicht etwa weggeworfen, oder?«, fragt Jonas verwirrt.
Weiße Zähne blitzen in Michelles dunklem Gesicht auf. »Nein. Verschenkt. Ich wollte ja keine weiblichen Klischees erfüllen, Sonnenuntergänge passten nicht mehr zu mir.«
»Verstehe, du warst erst ein sensibler Mann und jetzt bist du eine taffe Frau«, meint Falk, und Pancake sieht seine Chance gekommen, ein paar Blondinenwitze loszuwerden.
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