Schatten Des Dschungels
Wahrscheinlich ist es ebenso verboten wie diese Holzfällerei, was Falk und die anderen vorhaben. Noch kann ich mich raushalten, vermutlich wäre das den anderen sogar lieber, aber will ich das wirklich? Eigentlich habe ich mich doch schon entschieden, sonst würde ich jetzt nicht hastig meinen Rucksack packen. Ich bürge für sie. Das hat so gutgetan. Womit habe ich eigentlich verdient, dass er mir vertraut?
Innerhalb von fünf Minuten bin ich bereit und warte auf die anderen, nervös wie ein Rennpferd kurz vor dem Start. Lindy trennt sich gerade von ihrem roten Käppi, das an einem Haken im Vorratszelt auf sie warten muss, und kalkuliert auf einem GPS-Empfänger unsere Route. Dann geht es los.
Lindy geht voraus, mit schnellen, raumgreifenden Schritten. Sie geht fast so elegant mit der Machete um wie unser ehemaliger einheimischer Guide, die Klinge zeichnet genau abgezirkelte silberne Bögen durch die Luft. Ich passe mich an Lindys Tempo an und hoffe, dass ich es genauso lange durchhalten kann wie sie. Falk läuft hinter mir.
Kein einziges Mal schaut Lindy zurück, sie verlässt sich einfach darauf, dass wir es schaffen, ihr zu folgen. Es tut gut, so schnell zu gehen, mein Körper streckt sich, ist froh, endlich mal wieder gefordert zu werden. Seit Tagen habe ich nicht mehr trainiert, das Laufen hat mir gefehlt.
Immer wieder waten wir durch Bäche, die von den Tafelbergen hinunterströmen; meine Schuhe sind schon bald klatschnass und meine restlichen Klamotten völlig durchgeschwitzt. Hoffentlich scheuere ich mir nicht die Haut auf, ich habe in der Eile nicht daran gedacht, kritische Stellen mit Vaseline einzuschmieren. Weiter, weiter, immer weiter. Falk sagt kein Wort. Ist er sauer auf mich? Bereut er es schon, dass er für mich gebürgt hat? Oder will er einfach nicht, dass ich ihn über das geheime Projekt ausquetsche? Aber vielleicht weiß ich sowieso bald, worum es geht.
Ich stolpere über haarfeine, aber zähe Lianen, die quer über den Pfad verlaufen, au, verdammt! Kurz darauf umschwirren mich auch noch winzige Bienen und versuchen in meine Ohren und Nasenlöcher zu kriechen. »Stechen die?«, keuche ich. Lindy schüttelt den Kopf. Als ich die Bienen daran hindern will, meine Ohren als gemütliche Höhle zu benutzen, zerquetsche ich die Tierchen versehentlich und kriege sie nicht mehr raus aus ihren Verstecken. Jetzt fühlen sie sich an wie Wachspfropfen in meinen Ohren. Uäh!
»Besser, man lässt sie einfach kriechen, wohin sie wollen«, sagt Falk, endlich sagt er etwas.
»Meine Nase gehört immer noch mir!«, brumme ich und wedele mit der Hand vor meinem Gesicht herum. Durch die Bienen bin ich ein Stück zurückgefallen, und ich gehe schneller, um Lindy wieder einzuholen. Das feuchtwarme Klima, an das ich mich noch nicht gewöhnen konnte, macht mir zu schaffen. Ständig muss ich meine Aqua-Pur-Flasche an Bächen, die wir passieren, auffüllen und dann quälende zwanzig Minuten warten, bis die chemischen Filter das Wasser gereinigt haben. Inzwischen könnte ich auch gut mal eine Pause gebrauchen, aber Lindy scheint keine eingeplant zu haben. Ihr Tempo ist gnadenlos, auch nach einer Stunde, nach zwei Stunden … müssten wir nicht bald da sein? Verbissen treibe ich mich voran, gebe der Erschöpfung keine Chance, über mich herzufallen, denke nur an das Ziel. Ich werde weiterlaufen, bis ich neben dem Pfad zusammenbreche, vielleicht kann ich dadurch den peinlichen Auftritt gestern wieder wettmachen.
Nach einer Ewigkeit sagt Lindy nach einem Blick auf ihr GPS: »Leise! Wir sind in der Nähe.«
Ja, ich rieche schon den Rauch, der Menschen verrät. Wir nähern uns gegen den Wind. Während wir voranschleichen, lässt mir die Ungewissheit keine Ruhe. Was genau soll das denn nun werden? Wir sind zu dritt und meines Wissens bis auf die Machete unbewaffnet, während die Holzfäller wahrscheinlich über Motorsägen, Äxte und vermutlich auch das eine oder andere Maschinengewehr verfügen. Irgendwo habe ich gelesen, dass das Holz jedes Urwaldriesen fast hunderttausend Dollar wert ist. Diese fette Beute werden sie sich nicht ohne Weiteres abnehmen lassen.
Das Lärmen der Motorsägen ist weithin zu hören, und ich habe einen Kloß im Hals, als wir am ersten Baumstumpf vorbeikommen. Er ist riesig, wir könnten uns alle drei gemeinsam darauflegen und keine unserer Zehen würde über den Rand ragen. Dunkelrot und fest, ein bisschen wie Fleisch sieht das Holz aus. Jahrhundertelang hatten die Menschen keine Chance,
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