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Schatten eines Gottes (German Edition)

Schatten eines Gottes (German Edition)

Titel: Schatten eines Gottes (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jutta Ahrens
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wie denn? In Rom warst du nicht so zimperlich.«
    »In Rom, Agnes, in Rom waren wir frei zu tun, was wir wollten.«
    »Dann sind wir hier Gefangene? Ja, ja, dein wunderschönes Rittergut ist in Wahrheit ein Gefängnis, wo man mit Haube, langer Schleppe und gesenktem Blick lustwandelt, die adeligen Vorschriften studiert und Stickereien anfertigt.«
    Octavien musste lachen. Er nahm Agnes in den Arm, und es überwältigte ihn, er musste sie küssen. Ein Stallknecht stand auf seine Schaufel gestützt und glotzte herüber. Octavien bemerkte es aus den Augenwinkeln. Früher hätte er ein so ungehöriges Benehmen sofort mit ein paar Hieben auf dem Bock bestraft, doch er wollte sich nicht noch mehr Ärger einhandeln und übersah es einfach.

Die siebente Aufgabe
    Seit sie den römischen Hafen Ostia erreicht hatten, hatte sich Sinan wieder in Stefano de Fiore verwandelt. Nicholas hatte sich geweigert, zu seinem Lautenspiel zu singen, obwohl er eine schöne Stimme hatte. Ihm komme es nicht zu, fröhlich zu sein, hatte er abweisend bemerkt. Doch Sinans Heiterkeit war ansteckend, und Nicholas lachte oft mit ihm.
    Bei ihrer Abreise hatte er nicht gelacht. Er hatte Sinan nicht begleiten wollen, doch dieser hatte gedroht, Hassan umzubringen, und Nicholas hatte ihm das geglaubt. In Sinans Augen, die humorvoll, heiter oder zärtlich dreinblicken konnten, hatte unmissverständlich der Tod gestanden.
    Nun befand er sich wieder auf dem Boden seiner ärgsten Niederlage und Verzweiflung. Er würde den langen Weg über die Berge, dann am Rhein entlang, wieder gehen. Auf derselben Straße marschieren, über die so viele wunde Füße gestolpert waren, in deren Wassergräben die Kinderleichen faulten und die Bäume voller Raben gewesen waren. Durch ihre Gespräche war Nicholas klar geworden, dass Sinan eben jenen Mann suchte, der ihn damals betrogen hatte: den Franziskaner Bernardo. Den Mann, den er für den Herrn Jesus Christus gehalten hatte. Dieser Mann besaß ein Pergament, das Sinan an sich bringen wollte. Was genau es damit auf sich hatte, darüber wollte er nicht reden. Es sei eine Sache zwischen ihm und dem Meister. Aber eins wusste Nicholas: dass Sinan den Mönch töten wollte. »Ich verlasse dich«, hatte Nicholas ihm gedroht. Er hatte zu viel Gewalt gesehen und wollte nicht an der Seite eines Mannes leben, der mordete. Sinan hatte nur gelacht.
    Auf eine gewisse Weise war er ebenso bezwingend wie jener Bernardo. Wenn er sprach, dann wollte Nicholas ihm glauben. Wenn er ihn ansah, zerstoben die eigenen Gedanken wie Spreu. Wenn er sang, dann zog er ihn in den Bann, und wenn er liebte, dann trugen ihn die Fluten eines wilden Meeres davon, und seine Wirbel verschlangen ihn. Aber manchmal sprach er von den Christen, von Dämonen und vom Tod. Und dann verwandelte er sich in eine dunkle, kalte Flamme.
    Er sprach manchmal vom Meister, der ihn alles gelehrt habe. Ja, auch das Töten. Es sei nicht falsch, wenn man die Bösen tötete. Wer diese Bösen waren, das bestimmte natürlich der Meister. Oder Sinan. Oder die Bewegung. Für Nicholas hörte sie sich an wie eine neue Religion, doch er wollte von keiner mehr etwas wissen. Den Islam hatte er nur angenommen, um der Sklaverei zu entfliehen. Sie wollten ein Kloster in der Eifel aufsuchen, doch zuvor den Meister, der in der Nähe von Rom lebte. Sinan nannte ihn Meister des Lichts. Nicholas dachte an das Himmelslicht, das ihn getäuscht hatte. Inzwischen wusste er, dass es eine gewöhnliche Lichterscheinung gewesen war und kein göttliches Zeichen. Ja, heute wusste er vieles, aber das Wissen machte ihn weder frei noch glücklich. Er wünschte sich, er wäre noch der schlichte Engel von Köln und wäre jenem Bernardo niemals begegnet. Dennoch hatte er ihn niemals gehasst. Während er seinen Körper weggeworfen hatte, hatte seine Seele sich tief in sein Inneres zurückgezogen und war rein geblieben.
    ***
    Nathaniel saß in seiner Schreibstube und verfasste Briefe an einige Mitglieder der Bewegung, in denen er ihnen Mut machte und neue Hoffnung gab. Er habe Innozenz auf den richtigen Weg geführt, und bald würden sie die Früchte seiner Bemühungen ernten. Natürlich verschlüsselte er diese Nachrichten, sodass ein ungebetener Leser daraus lediglich einen harmlosen Reisebericht und freundliche Grüße an die Mitbrüder entnehmen konnte.
    Sein Sekretär trat ein. »Herr, es sind zwei Besucher gekommen.«
    Nathaniel sah kurz auf. Einen Augenblick überlegte er. »Von Innozenz?«, fragte er. Er

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