Schatten ueber Broughton House
drücken“, ergänzte Olivia lächelnd.
„Lady Helena hat es sofort bemerkt, als Sie und Theo neulich in den Salon kamen. Der bloße Anblick versetzte sie in Wut, und ihre Unhöflichkeit übertraf alles, was wir sonst von ihr gewohnt sind. Als ich sagte, Sie würden uns auf den Ball begleiten, sah sie rot.“ Kyria lächelte bei der Erinnerung an Lady Scarles Unbehagen. „Ich möchte sie am Freitag einfach noch etwas mehr aus der Fassung bringen.“
Megan war es ein Rätsel, weshalb es Kyria so zu freuen schien, dass ihr Bruder ein Auge auf eine Bedienstete geworfen hatte. Natürlich waren die Morelands außergewöhnlich fortschrittlich gesinnte Adelige - Kyria hatte einen Amerikaner geheiratet und ließ sich statt als Lady Kyria gern als Mrs. Mcintyre ansprechen. Doch Rafe Mcintyre hatte immerhin ein beachtliches Vermögen, wohingegen Megan bloß eine Lehrerin war.
Und das, so nahm sie an, war immer noch besser als ihr eigentlicher Beruf - sie konnte sich keine adelige Familie vorstellen, die es schätzen würde, wenn einer der ihren eine Zeitungsreporterin heiratete.
Nein, dachte Megan, sie war nicht nur eine Bürgerliche und eine Amerikanerin, sie war in diesem Haushalt angestellt. Und wenngleich eine Tochter sehr wohl außerhalb des Adels heiraten konnte, so wie Kyria und Thisbe es getan hatten, verhielt es sich bei dem erstgeborenen Sohn doch etwas anders. Immerhin würde er den Titel erben. Eine Hauslehrerin als die nächste Duchess? Bestimmt war das völlig undenkbar.
Auf einmal verstand sie, dass genau dies die Antwort auf ihre Frage war. Kyria und Olivia wussten, dass sie als künftige Gemahlin für Theo inakzeptabel war. Er würde sich nicht genötigt sehen, sie zu heiraten. Sie würde ihm nie mehr als eine vorübergehende Laune sein - bestenfalls eine Mätresse.
Bei diesem Gedanken verspürte sie Schmerz und Enttäuschung. Obwohl sie Kyria und Olivia mochte, verletzte es sie, dass die beiden gar nicht bedachten, was ihr Plan, Theo aus den Fängen von Lady Scarle zu erretten, für Megan bedeutete.
Etwas ernüchtert stand sie da, während Joan um sie herumkroch, ihren Rock hier und da auf steckte und die anderen Frauen über den passenden Schmuck und die schreckliche Lady Scarle plauderten. Sobald die Zofe fertig war, beeilte sich Megan, aus der eleganten Robe herauszukommen und ihre eigene schlichte Kleidung wieder anzuziehen, und verließ die Damen, nachdem sie ihnen mit einem höflichen Lächeln gedankt hatte.
Den Rest der Woche wurde sie zwischen sehr widersprüchlichen Gefühlen hin und her gerissen. Einerseits wollte sie nun gar nicht mehr auf den Ball gehen. Doch andererseits wusste sie, dass sich ihr dort die Gelegenheit bieten würde, Mr. Coffey wiederzusehen und ihn vielleicht unter vier Augen über die Expedition zu befragen, die er mit Theo und ihrem Bruder gemacht hatte.
Natürlich wusste sie, dass nicht diese Aussicht allein es war, die sie ganz atemlos werden ließ, sobald sie an den Ball dachte. Megan wollte das wunderschöne Kleid tragen, und sie sehnte sich danach, dass Theo sie darin sah - sie stellte sich vor, wie er bei ihrem Anblick erfreut lächeln und sie mit vor Verlangen dunkel schimmernden Augen betrachten würde ... Allein die Vorstellung ließ sie dahinschmelzen.
In ihre erregte Vorfreude mischte sich jedoch auch eine gewisse Angst. Wollte sie wirklich abermals die Leidenschaft dieses Mannes zu spüren bekommen? Ganz gewiss fürchtete sie sich davor, seine Avancen abwehren zu müssen - oder vor der schuldbewussten Scham, die sie überkommen würde, wenn sie sich doch wieder seinen berauschenden Küssen hingab.
Als schließlich der Abend des Museumsballs gekommen war, hatte sie Bauchschmerzen vor Aufregung. Am Nachmittag hatte Joan ihr bereits das Ballkleid gebracht - fertig abgeändert und frisch geplättet -, und wie sie es jetzt an ihrem Schrank hängen sah, erschien es Megan noch prächtiger als in ihrer Erinnerung. Joan hatte den Saum des Rockes ein wenig gerafft, und die darunter hervorschimmernde Kupferspitze, ebenso wie die über der nun üppig aufgepolsterten Turnüre herabwallende Schleppe, ließen das Kleid elegant und verführerisch zugleich aussehen.
Auf der Frisierkommode lag die Kamee bereit, welche Joan mit winzigen Stichen auf einem Ripsband befestigt hatte, das farblich mit der Kupferspitze des Kleides harmonierte, und daneben fanden sich schlichte Ohrstecker aus dunkel schimmerndem Onyx.
Megan hatte gerade mit ihrer Toilette begonnen, da klopfte
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