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Schattenauge

Schattenauge

Titel: Schattenauge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Blazon
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Schatten, schwarz und weiß, synchron mit ihnen und doch in ihren Proportionen und Bewegungen so verschieden, dass sie wie separate Wesen wirkten. Bevor das Bild in die Seitenlage kippte und Zoë spürte, wie ihre Wange über den Steinboden rieb (Wann war sie gefallen?), hörte sie ein Rumpeln und das Schaben von Bremsscheiben, so nah, als würde das Auto neben ihrem Kopf zum Stehen kommen.
     
    Als ich aus dem Blackout auftauchte, kauerte ich, zum nächsten Sprung bereit, auf dem Lindenplatz. Tausend Prellungen brannten auf meinem Körper und Blut rann mir in den Mund. Thomas hatte ich offenbar so gut wie erledigt. Er krümmte sich auf dem Boden, und Claire und Julian zögerten, erneut anzugreifen. Wir sind stärker als sie! , fuhr es mir durch den Kopf. Blitzartig versuchte ich die letzte Minute (?) zu rekonstruieren. Wir waren aus dem Fenster gesprungen. Das war gut, es gab mir Spielraum im Kampf. Und Zoë? Wo war Zoë? Der Schreck katapultierte mich um ein Haar zurück in den Schatten. Dann entdeckte ich sie – wie Julian zusammengekrümmt auf dem Boden. Ist sie verletzt? Aber ich sah kein Blut, nur einige Schrammen und Prellungen. Julian hatte versucht, ihr die Krallen über Schläfe und Jochbein zu ziehen, aber da waren nur rote Striemen.
    »Verschwindet!«, brüllte Irves den dreien zu. Jetzt erst sah ich ihn. Er war Zoë und mir also doch noch zu Hilfe gekommen und stand an meiner Seite, Blut sickerte aus einer Bisswunde an seiner Schulter.
    Claire fauchte ihn an und wollte eben wieder zum Sprung ansetzen, als wie aus dem Nichts Gizmos Transporter auftauchte. Er bockte hoch, als Gizmo einfach über den Bürgersteig fuhr und mitten auf dem Platz scharf bremste. Claire sprang zurück und Thomas und Julian, der gerade wieder schwankend auf die Beine kam, zögerten ebenfalls. Jetzt hatten wir zumindest Gleichstand: Drei gegen drei (Zoë, die sich jetzt erst wieder regte, nicht mitgerechnet). Und wenn Irves und ich schon zu zweit so gut mit den anderen fertig wurden, würden sie es sich überlegen.
    Im Café verriegelte die Bedienung gerade in fieberhafter Hast die Tür und ließ vor lauter Hektik ihr Handy fallen, während sie eine Nummer eintippte. (Polizei? Garantiert Polizei!) Ich erkannte ihre schreckgeweiteten Augen hinter der spiegelnden Scheibe und konnte mir nur zu gut vorstellen, wie das Ganze aus ihrer Sicht wirkte: eine wüste Massenschlägerei auf dem Lindenplatz.
    »Macht schon, rein!«, rief Gizmo aus dem Autofenster.
    »Hol Zoë!«, befahl Irves. Das musste er mir nicht zweimal sagen. Längst war ich auf dem Weg zu ihr, während Irves zwischen ihr und der Gemeinschaft die Stellung hielt. Zoë stöhnte und regte sich, als ich sie in die Arme nahm, hochhob und mit ihr zum Auto hastete. Ich hätte heulen können, so fragil und verletzlich fühlte sich ihr Körper in meinen Armen an. Hoffentlich geht es ihr gut , betete ich in Gedanken. Bitte, lass sie nicht verletzt sein! Noch während ich sie behutsam auf die Ladefläche bettete, durchfuhr es mich siedend heiß. Ich hatte den Kleinen vergessen. Verdammt, er sitzt noch oben!
    »Leon!«, flüsterte Zoë entsetzt, als hätte sie meine Gedanken gelesen.
    »Keine Sorge, ich hole ihn!«, beruhigte ich sie. Kurzerhand zog ich das Schlüsselmäppchen unter dem straffen Frotteeband an ihrem Handgelenk hervor. Der Boden federte, als Irves mit einem Satz im Wagen landete und die Tür hinter sich zuzog. Dann warf uns der Ruck vom Anfahren und die halsbrecherische Wende gegen einige Kisten. Besorgt sah ich zu Zoë, aber sie stützte sich auf die Hände und richtete sich wieder auf. Mir fiel ein Stein vom Herzen: Sie war also nicht verletzt!
    »Fahr um den Block, ich muss noch mal in die Wohnung«, zischte ich Gizmo zu und sprang auf.
    »Spinnst du? In ein paar Sekunden taucht die Polizei hier auf.«
    »Fahr zur Wohnung! Da ist noch ein Kind drin!«, fuhr ihn Irves an. Aus dem Seitenfenster sah ich, dass Claire und die anderen verschwunden waren. Nur ein Grüppchen von Leuten spähte noch durch die Gitter der U-Bahn-Station fassungslos zu uns herüber. Die Beschleunigung drückte mich zur Seite. Keine zehn Sekunden später legte Gizmo hinter dem Haus eine Vollbremsung hin. Wie durch ein Wunder fand ich auf Anhieb den richtigen Schlüssel und stürmte die Treppen hoch. Ich versuchte, mich nicht zu fragen, was passieren würde, wenn die Gemeinschaft wieder über das Dach in die Wohnung geklettert war und schon auf mich wartete. Und ich versuchte, nicht

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